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Wortbildung.

Die Neigung des Schwaben, Substantivis und Verbis ge vorzusetzen, ist in der Balinger Gegend stark vertreten, besonders fallen die Vogelnamen gstårk, gstâr, gspatz (auch gspätzle in der Küche), gschwalmle auf; cf. ferner gsprûr Spreu, gspatzîran, gruian reuen, gsëan sehen, dër gvurfuəss am Strumpf.

Je weiter nach Norden, desto beliebter wird die uneigentliche Komposition, so daß im Fränkischen gar Bildungen wie brunnesdrôg vorkommen; die Balinger Gegend liebt die eigentliche Komposition, man sagt resslewîd, maerlebuəch etc., wofür anderwärts der Schwabe ressleswird etc. spricht.

Das m der Ableitungssilbe mhd. em hat sich erhalten in faedəmle (fâdan), bêdemle (bôdan), zaesəm, pl. zaesəman, bêsəmle etc.

Die alte Endung ahd. – ina, mhd. – ene ist noch verblieben dem Plur. von kuche, lûge, mischde, welcher kuchənan etc. lautet. Analog wird deklinirt degge, stûb, pl. deggənan, stubənan. Ähnlich buəche holz, buəchəne scheidër etc. In keddəm Wechsel von m mit n.

Deklination.

Eigenthümlich der häufige Gebrauch des Pluralis ohne Artikel, z. B. ër leidəd an fiəssan, wofür der Schwabe sonst sagt: ër leidəd an de fiəss; hendër ammelbêman (Flurnamen).

Abfall der Endung – er bei kend, wäld.

Schwache Deklination: mannan, stamman, saúan, nussan, gstårkan etc.

Der Pluralis der Wörter auf le = lein lautet wie der Singularis, also an knepfle und veil knepfle, nicht wie sonst im Schwäbischen veil Knepflan.

Man sagt an klein kend, an hilze glaechdër, nicht an kleins kend etc. Auffallend ist ferner das Weglassen des Mehrzahlzeichens am Adj., z. B. i háun miədärm, se håd grâuss schîz große Schürzen.

Konjugation.

Vielfach starke Konjugation, wo sie dem Schriftdeutschen abgeht; z. B. baúan gebaut, gháunkan gehinkt, gwáunkan gewinkt, gliddan geläutet, gschîan gescheut, grîan gereut, bossan gebüßt etc.

I siəg ich würde sagen, miəch würde machen etc. Am häufigsten wird dieser Konjunktiv umschrieben durch i daed mit dem betreffenden Infinitiv. In i brîchd, mër brîchdəd ich würde brauchen u. s. w. mischt sich starke und schwache Form. Dreschan konjugirt schwach, dreschd drischt und gedroschen.

Unregelmäßige Verba:

sein: i bên gsein; bisch! sei! Konj. î sei, de seineschd, ër sei, mër seine, ër seinəd, se seine; i waer, de waereschd, ër waer, mër waere, ër waerəd, se waere.

háun haben: i háun, de håschd, ër håd, mër háund etc. haeb! Konj. i haeb, de haebeschd, ër haeb, mër haebe, ër haebəd, se haebe; ghed gehabt.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Balingen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABalingen0141.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)