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Bei dem Quellenreichthum der Markung ist für Trinkwasser aufs beste gesorgt durch 11 laufende öffentliche Brunnen, wovon 4 durch eiserne, ebensoviel durch thönerne und 3 durch hölzerne Leitungen gespeist werden. Außerdem ein Privatpumpbrunnen.

Die kräftigen Einwohner, von denen zur Zeit 6 Personen über 80 Jahr alt, sind ihrem Kerne nach fleißig, betriebsam, sparsam, ordnungsliebend und kirchlich gesinnt. Die Volkstracht schwindet mehr und mehr.

Der Wohlstand ist nicht bedeutend; es gibt wenig Vermögliche, viele Arme. Der größte Grundbesitz ist 15 ha, der mittlere 8 ha; der Arme hat nur seine 10 ha Allmand. 15 ha Güter liegen auf fremder Markung. Man sucht durch Gewerbe dem Nahrungsstand aufzuhelfen, besonders durch Schuhmacherei und Corsettweberei; aber die 2 Corsettfabriken und eine Wattfabrik (seit 1871, ursprünglich 1838 Bleiweißmühle, 1857 Wollspinnerei) stehen gegenwärtig still. Dafür wird viel gestickt und gestrickt; ersteres nach der Schweiz, letzteres für Ebinger Fabrikanten. Leinenspinnerei nur für eigenen Bedarf. Früher viel Kohlenbrennen. Dem Verkehr dienen 4 Wirthschaften, davon eine mit Bierbrauerei, 5 Krämer und ein Fahrbote nach Ebingen. Eine Mühle ist mit 2 Mahl- und einem Gerbgang, sowie mit Hanfreibe ausgestattet. Eine Industrieschule sorgt für den Unterricht im Nähen und Stricken.

Die Markung ist ziemlich groß und gut abgerundet; aber sie besteht großentheils aus Wald, Fels, Rutschen und Steilhängen, von denen der bessere Boden leicht abgeschwemmt wird, wozu kommt, daß die Bäche bei wolkenbruchartigen Regen oft großen Schaden anrichten. Die Grundlage bildet der untere weiße Jura, aus dem Kalksteine gebrochen werden; auch die Ornatenthone des braunen greifen im Wünschbachthal noch herein. Den Höhen ist z. Th. diluvialer Lehm aufgelagert, der, wie der eingeschlossene Sand und der Kalkschutt, auch zur Ausbeute dient. Das Thal ist mit Jurablöcken besät, zwischen denen schwerer Boden, der nach oben mehr leichtem, schwarzem, humusreichem Platz macht. Einige Wiesen sind sumpfig. Die gewöhnlichen Getreidearten gedeihen; feinere Gewächse weniger, doch noch Bohnen.

Das Klima ist rauh, mit Frühlingsfrösten, kühlen Sommernächten, starken Winden, alle 8–10 Jahre Hagelschlag. Eine Wetterscheide gegen Westen bildet der Böllat.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Balingen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 480. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABalingen0480.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)