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Die Hechingen-Ebinger und seit 1880 die von Ebingen auf die Hohenzollersche Alb führende Staatsstraße geht durch den Ort, eine Vizinalstraße nach Pfeffingen. 3 steinerne Brücken über die Schmiecha hat die Gemeinde zu unterhalten, eine steinerne der Staat.

Die kräftigen und stattlichen Einwohner, von denen etwa 15 über 80 Jahre alt sind, zeichnen sich im allgemeinen durch Fleiß, Betriebsamkeit, Sparsamkeit, Einfachheit, kirchlichen, auch opferwilligen Sinn vortheilhaft aus. Die Volkstracht hat sich noch ziemlich erhalten: bei den Männern vorwiegend aus Manchestersammt; bei den Frauen ebensolche Kittel, Bändelhauben, herabhängende Zöpfe.

Die Vermögensverhältnisse sind mittel; die eine Hälfte ist auf Industrie angewiesen. Der Vermöglichste besitzt 30–36 Morgen, der Mittelmann 15–20 Morgen, die ärmeren Bauern 2 bis 3 Morgen Feld. Auf fremder Markung liegen ziemlich viele Grundstücke.

Die Industrie umfaßt: Corsettfabriken (6), Tricotweberei auf circa 130 Rundstühlen, Manchester- und Strumpfweberei, meist mit Absatz nach außen. Die Strumpfwaaren kommen hauptsächlich nach Oberschwaben; die Einfuhr des Materials bildet einen wesentlichen Handelszweig. 3 Frachtfuhrleute fahren nach Ebingen und Hechingen.

Heute sind im Ort 170–180 Rundmaschinen in Thätigkeit, welche theils für Rechnung dortiger Fabrikanten, theils für auswärtige Grossisten, in der Mehrzahl aber für Ebinger Fabrikanten arbeiten. Die Rundstuhlarbeiter erzielen einen wöchentlichen Arbeitsverdienst von 6, 7 bis 8 M.; außer den Webern sind noch 60–70 sonstige Arbeiter beschäftigt und gleichzeitig 150–160 Nähmaschinen, welche eben so vielen Frauen und Töchtern einen Wochenverdienst von 3–4 M. gewähren.

Neben dieser Erwerbsthätigkeit oder richtiger Hand in Hand damit entwickelte sich seit Ende der 1840er Jahre ein ausgedehnter Hausirhandel, der im Herbst nach Beendigung der Feldgeschäfte noch jetzt alljährlich gegen 100 Personen beiderlei Geschlechts namentlich nach Oberschwaben, dem württembergischen Unterland und Schwarzwald führt. Doch ist nach den gepflogenen Erhebungen vom Erfolg dieser Handelschaft wenig Ersprießliches zu verzeichnen. Der materielle Erfolg, welchen einige Wenige auf diesem Wege erzielten, ist so verschwindend klein gegenüber den materiellen und moralischen Nachtheilen, die der Hausirhandel

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Balingen. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 491. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABalingen0491.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)