Seite:OABesigheim0063.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Schönleber’sche Wollenfabrik in Bietigheim die erste Stelle ein; früher als Beigabe des ehemaligen Zucht- und Waisenhauses in Ludwigsburg vom Staate gegründet, ging sie im Jahr 1826 in Privatbesitz über. Dieselbe beschäftigt gegenwärtig unmittelbar 120 und außerhalb des Etablissements 50 Personen, deren Verdienst sich auf jährlich etwa 30.000 fl. beläuft. Gegenstände ihrer Fabrikation sind wollene Rock- und Hosenstoffe und wollene Streichgarne; es sind 6 Assortiments-Spinnereien mit 2000 Spindeln im Gange, auch hat die Königl. Centralstelle für Handel und Gewerbe ein Assortiment für feine gezwirnte Streichgarne, bis jetzt das einzige dieser Art in Württemberg, hier aufgestellt. Sämmtliche Fabrikate erhalten, mit Ausnahme der Färberei, ihre gänzliche Vollendung innerhalb der Fabrik und finden ihren Absatz in- und außerhalb des Zollvereins.

Ein weiteres nennenswerthes Etablissement, gleichfalls in Bietigheim, ist das des Strumpfwebers Buck, welcher durch Vermittlung der Königl. Centralstelle für Gewerbe und Handel im Besitz von 3 Circularstrumpfwebstühlen ist, die ihm gestatten, sein Gewerbe fabrikmäßig zu betreiben. Diese neu erfundenen Webstühle kamen in Württemberg zuerst hier in Anwendung. Jeder dieser Stühle leistet ungefähr das 10fache eines der bisher gewöhnlichen Strumpfwirkerstühle, von welchen Buck ebenfalls noch mehrere beschäftigt. Dieses Geschäft ist zwar erst im Entstehen, verspricht aber einen guten Fortgang.

Auch die Fabrik von C. Schuhmacher, welcher künstliche Wetzsteine fabricirt, hat sich eines ausgedehnten Absatzes zu erfreuen.

Was den Personen- und Güterverkehr betrifft, welcher bei der früheren Frequenz der schönen Landstraßen des Bezirks ein bedeutender Gegenstand des Privaterwerbs war, indem er nicht nur Kutschern und Frachtfahrern Verdienst gewährte, sondern auch mehrere Handwerker: als Schmiede, Wagner, Sattler u. s. w. mittelbar beschäftigte und besonders den Gastwirthen Gewinn brachte; so ist derselbe nun auf die durch den Bezirk ziehende Staatseisenbahn übergegangen, welche einen Theil der von Stuttgart bis Heilbronn reichenden sogenannten Nordbahn ausmacht. Zwar hat der Bau der Eisenbahn manchen vorübergehenden Verdienst gebracht, und auch die Grundbesitzer, welche von ihrem Eigenthum für die Bahnanlage Abtretungen zu machen hatten, haben hiefür gute Preise erhalten; den ansäßigen Privat-Gewerben aber ist für die ihnen entgangene Erwerbsgelegenheit durch die Eisenbahn-Passage selbst an denjenigen Orten nur ein schwacher Ersatz geworden, wo, wie in Bietigheim, Besigheim und Lauffen, Bahnhöfe errichtet sind. Es haben daher namentlich die Wirthschaftsgewerbe, seit die Staatseisenbahn im Betrieb ist, sehr

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Besigheim. J. B. Müller’s Verlagshandlung, Stuttgart 1853, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABesigheim0063.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)