Seite:OABesigheim0139.jpg

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Kapelle vertrat, ist mit einem schön gefüllten, germanischen Fenster versehen. Auf dem Thurme hängen drei Glocken, von denen die größte, 1351 gegossen, die vier Evangelistennamen und die Worte Vic. Petri als Umschrift trägt, auf der mittelgroßen, ohne Zweifel noch älteren, stehen in verkehrter Schrift ebenfalls die Namen der vier Evangelisten, die kleinste wurde 1631 gegossen. An der Nordseite des Langhauses ist ein mit Flügelthüren versehener, aus Holz geschnittener Ölberg angebracht, den man in neuerer Zeit durch Privatbeiträge restauriren ließ; er hat wenig Kunstwerth, dagegen zeigen die Innenseiten der Flügenthüren noch viele Spuren von Gemälden aus der guten mittelalterlichen Schule, während die an den Außenseiten, bei Veranlassung der Restauration, einer ganz gewöhnlichen Tünchung weichen mußten. Dieser Ölberg wird in der Charwoche gezeigt. 1

Das Innere der ursprünglich schönen Kirche ist durch Emporen verdüstert und entstellt; runde, mit Spitzbogen verbundene Säulen tragen das Mittelschiff. Zwischen Langhaus und Chor steht ein auf Säulen ruhender, mit verzierten (gefransten) Spitzbogen verbundener Querbau, Lettner (Lectorium), zu dessen beiden Seiten Baldachine angebracht sind. An den zwei mittleren Säulen desselben stehen auf Consolen[1] Johannes der Täufer und eine Mater dolorosa; über diesen Figuren sind im rein germanischen Styl gehaltene Baldachine angebracht, auf denen je wieder eine Figur steht. Die Seiten-Baldachine des Lettners, von denen einer noch einen Altar einschließt, haben Kreuzgewölbe, deren Gurten von Wappenschilden der Familien v. Neipperg, v. Gemmingen, v. Lierheim u. s. w. ausgehen, während der Durchgang selbst mit einem Netzgewölbe geziert ist, an dessen Kreuzungen wieder die obigen Wappen und Rosetten angebracht sind. Zwischen den beiden mittleren Säulen des Lettners steht der sechseckige, germanisch gehaltene, hohle Taufstein. Unten an der Kanzeltreppe ist die Jahreszahl 1586 eingemeißelt. Das Chor mit doppeltem Kreuzgewölbe, an dessen Schlußsteinen ein Agnus Dei und ein Christuskopf, roh gearbeitet, dargestellt sind, schließt einen aus Holz trefflich geschnittenen, mit germanisch gehaltener Krönung verzierten Flügelaltar in sich; auf demselben befinden sich die drei Weisen, ein Hirte, Petrus wie er dem Papste die Schlüssel übergibt, ein Bischof, eine Figur, an der mit alter Mönchsschrift die Worte „Balaam orietur stella“ stehen, ein Engel, der eine Wage hält, in deren einer Schale ein Mensch sitzt, während in der andern ein Thurm


  1. Die Consolen stellen Engel vor, welche die Wappenschilde der adeligen Familien Neipperg, Liebenstein, Lierheim und des Bisthums Mainz halten.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Besigheim. J. B. Müller’s Verlagshandlung, Stuttgart 1853, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABesigheim0139.jpg&oldid=- (Version vom 6.2.2020)