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1. Böblingen. 101


wurde, wegen seiner künstlichen Konstruktion alle Anerkennung verdient, so kann doch nicht in Abrede gezogen werden, daß derselbe mit dem übrigen Styl der Kirche nicht übereinstimmen will. Auf dem Thurme, von dem man eine sehr anziehende Aussicht genießt, hängen 5 Glocken, 4 im Glockenhaus und 1 in der Kuppel, die zusammen ein harmonisches Geläute geben; die größte, 36 Centner wiegend, trägt, außer den Namen der damaligen geistlichen und weltlichen Behörden, noch die Umschrift: „Zur Ehre Gottes läut’ man mich, Martin und Hans Miller zu Eßlingen goß mich anno 1600.“ Auf der sogenannten Hundsglocke, der ältesten von allen, steht mit verkehrter Mönchsschrift: „sanctus. mateus. marcus. lucas. johannes.“ Die dritte hat die Umschrift: „aus dem Feuer bin ich geflossen, Johann Georg Schmelz von Biberach hat mich gegossen 1765“ und die vierte, welche 1823 von Ulm, wo sie auf dem Schwörthurm hing, nach Böblingen kam „anno 1789 goß mich Thomas Frauenlob in Ulm.“

Die Kirche ist ursprünglich Eigenthum der örtlichen Stiftungen, muß aber, wegen des unbedeutenden Kirchenvermögens, von der Stadtgemeinde unterhalten werden.

Die ehemalige Gottesackerkirche in der Vorstadt hat weder Chor noch Thurm, aber schöne, spitzbogige, gothisch gefüllte Fenster, von denen eines an der nördlichen Seite die Jahreszahl der Erbauung 1586 trägt. Das Innere dieser, an Grabdenkmalen so reichen Kirche, ist verwüstet und wird zur Aufbewahrung des Trauerwagens etc. benützt. Die zum Theil unleserlich gewordenen Grabsteine gehören meist Geistlichen an; der älteste von denselben hat die Umschrift: »anno dom. 1473. obiit Johannes Kielmann pastor.«“ Auf einem andern steht: »anno dom. 1520 am siebenden tag des monats octobers starb der würdig wohlgelert meister hans cuch von frankfurt pfarrer zu böblingen.« Da diese Grabdenkmale älter als die Kirche sind, so läßt sich vermuthen, daß schon früher eine Kapelle hier stand, in welcher Verstorbene beigesetzt wurden, um so mehr, als jene Geistlichen angehören, die man bekanntlich früher nur in Kirchen oder Kapellen beerdigte. Die Kirche wurde im Jahre 1586/87 damals außerhalb der Stadt erbaut, der Bau hatte aber einen so schlechten Fortgang, daß Herzog Ludwig von Württemberg noch eine besondere Beisteuer von 600 fl. zur Vollendung derselben verwilligen mußte. Sie diente früher zum Trauergottesdienst bei Leichenbegängnissen, seit aber (1836) der um sie gelegene Begräbnißplatz aufgegeben wurde, wird sie nicht mehr zu gottesdienstlichen Verrichtungen benützt und geht nun täglich mehr ihrem Untergang entgegen. Der neue 11/2 Morgen große, mit einer Mauer umfriedigte Begräbnißplatz ist an einer freien Stelle östlich


Empfohlene Zitierweise:
Beschreibung des Oberamts Böblingen, Stuttgart und Tübingen 1850, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABoeblingen101.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)