Seite:OABrackenheim0074.jpg

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Zweigen der Ökonomie. Erwähnung verdient hiebei die Erscheinung, daß der Menschenschlag in den Waldgemeinden durchschnittlich ein kräftiger, gesunder ist, während den andern Endpunkt der Reihe in körperlicher Beziehung die Weinorte bilden.

Aus den oben geschilderten Verhältnissen ergibt sich zweierlei von selbst: 1) daß im Bezirke Brackenheim für sogenannte große Bauern (z. B. im Sinne der oberschwäbischen, fränkischen u. s. w.) kein Boden ist; 2) daß aber andererseits auch die Wechselfälle einer einseitigen und ausschließlichen Beschäftigung zur Beschaffung des Lebensunterhalts, wie sie beim reinen Weingärtner, beim Fabrikarbeiter u. s. w. in Folge von Naturereignissen, politischen Vorgängen und drgl. vorkommen und seine Existenz in Frage stellen, eine Bevölkerung weniger berühren, bei welcher selbst in Mißjahren nicht leicht Alles verloren ist, sondern ein Ausfall in der einen Richtung öfters doch noch gedeckt wird durch Mehrproduktion in einer andern. Der Kleinbauer ist das überwiegende Element der Bevölkerung des Bezirks, der Kleinhäusler, der ein paar Äcker und Wiesen, etwas Weinberg, mitunter auch noch eine Waldparzelle sein eigen nennt, in guten Jahren von deren Ertrag etwas übrig hat und verkaufen kann, ja mit seinen Produkten, zumal dem Weine, mitunter namhafte Geschäfte macht.

Die Folgen solcher Schwankungen aber pflegen vielfach keine günstigen zu sein. Der gemeine Mann hat in der Regel das Zeug nicht dazu, ohne moralische Einbuße sie zu ertragen. Es geht keineswegs immer Hand in Hand mit jener, durch den Wechsel der Erträge, wie sie namentlich für den Weinbauern oft recht empfindlich sind, gebotenen Nothwendigkeit einer weisen Eintheilung und Sparsamkeit in der Wirthschaft die wirkliche Handhabung einer solchen, vielmehr legt sich unter dem Einfluß des zu Zeiten reichen Ertrags und Erlöses, zumal aus den Erzeugnissen des Weinbaus die Versuchung nahe, im Unmaß die heurigen Vorräthe zu verzehren, wenn auch mit der bestimmten Aussicht, im folgenden Jahr oder Halbjahr Mangel leiden zu müssen, und es ist nicht zu verkennen, daß vielmehr eine Genußsucht um so mehr Platz gegriffen hat, als der erleichterte Verkehr mit dem benachbarten Heilbronn – der Sonne, um welche der Bezirk Brackenheim kreist – und mit der landaufwärts so leicht durch die Eisenbahn zu erreichenden Residenz u. s. w. so manche früher nicht gekannte oder doch leicht entbehrte Lebensbedürfnisse und Genüsse mehr und mehr kennen und verkosten lehrt und neben manchem Guten auch nicht wenig Schlimmes importirt wird.

Was den physischen Charakter der Bewohner des Bezirks Brackenheim betrifft, so ist dem zu Bemessung desselben üblichen Anlegung des Maßstabs der Ergebnisse einer Untersuchung der militärpflichtigen Jugend ohne Zweifel ihre Berechtigung nicht abzusprechen. Eine

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Brackenheim. H. Lindemann, Stuttgart 1873, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABrackenheim0074.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)