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zeigt sich ein gewisser, jedoch nirgends bis zu Blödsinn gesteigerter Grad von Verkümmerung des geistigen und leiblichen Lebens an den Einwohnern dieses Orts überhaupt. Sie sind im Allgemeinen klein, unansehnlich, mager und von blasser Gesichtsfarbe. Einige Knaben sollen sich daselbst befinden, deren Kopf unverhältnißmäßig groß, andere, bei denen er auffallend platt gedrückt ist. Die intellektuellen Kräfte sind im Allgemeinen gering, und bei Vielen zeigt sich ein solches Hinbrüten und eine so geringe Kapazität, daß sie kaum in 8 Jahren in der Schule so weit gebracht werden können, daß man sie aus der Schule entlassen kann.“

Spätere, über Zu- oder Abnahme der Zahl solcher Individuen einverlangte Berichte erwähnen wenigstens einer Vermehrung nicht: die kurze, für diese Arbeit gestattete Frist ließ eine Revision obiger Ziffern im Sinne des dermaligen Standes nicht zu. Es scheint indeß auch von einem detailirten numerischen Nachweise des letzteren um so eher Umgang genommen werden zu dürfen, als denn doch auf anderem Wege ziemlich sichere Anhaltspunkte hiefür zu erlangen sind, sofern auf die dießbezüglichen Anfragen Schullehrer und Geistliche der gravirtesten Gemeinden sich in der Lage sahen, die Erklärung abzugeben, daß sie in den letzten Jahren kein Kind als gänzlich unfähig zum Lernen vom Schulbesuche zurückzuweisen sich genöthigt sahen.

Wo solche Zahlen reden, wie die in den obigen Tabellen über Musterungsergebnisse, Kindersterblichkeit, Cretinenzahl, da muß denn doch Manches faul sein oder doch gewesen und dieß begriffen worden sein. Wenigstens ist von Staatswegen in verschiedenen Beziehungen eine Verbesserung von Zuständen und Verhältnissen angestrebt und angeordnet, auch theilweise zur Ausführung gebracht worden, deren wesentliche Mitwirkung bei der Genesis der leiblichen und geistigen Entartung des Menschen nicht anzuzweifeln ist. So ist darauf Bedacht genommen worden, daß in den Ortschaften regelrechte, gewölbte Straßen, daß Kandeln angelegt wurden, und dadurch das sich sammelnde Wasser zum raschen Abfluß gelangte. Bei Erbauung neuer Häuser wurde darauf gehalten, daß solche weder auf feuchtem Grunde, noch in den Weg hineingebaut wurden, im Fall der Einrichtung von Wohngelassen im unteren Stockwerke wurde eine mindestens 3′ über den Boden herausstehende Grundmauer vorgeschrieben. Gegen das Branntweintrinken geschahen Schritte, soweit solche irgend ausführbar waren, besonders wurde in dieser Beziehung auf die Jugend zu wirken gesucht. Die Errichtung von Kleinkinderschulen ward den Gemeinden aufgegeben. Heirathen cretinischer, d. h. taubstummer und halbtaubstummer, schwach-, stumpf- und blödsinniger, mißgestalteter, zwergartiger, mit monströsem Kropfe behafteter Individuen wurden verboten, Zusammenheirathen zweier selbst nicht cretinischer, aber

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Brackenheim. H. Lindemann, Stuttgart 1873, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABrackenheim0080.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)