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Schwaigern halten nach dem Hochzeitsmahl die ledigen Hochzeitsgäste, voran das Brautpaar und die Schuljugend, unter Absingung von Volksliedern einen Umzug durch die Stadt; zugleich führt man einen großen Humpen Wein mit, aus welchem jeder Begegnende aufs freigebigste gelabt wird. Das Schießen bei Hochzeiten von Seiten der ledigen Bursche während des Zugs in die Kirche ist sehr allgemein und wird z. B. in Eibensbach von den Brautleuten bestellt und den Burschen das hiezu nöthige Pulver bezahlt. Auch an Taufen und in den Neujahrsnächten wird häufig geschossen.

Die Taufen werden in der gewöhnlichen Weise abgehalten und dabei wird den Angehörigen und den Taufpathen entweder ein Mahl oder, was häufiger vorkommt, Wein, Brot und Käse gereicht. In Nordhausen tritt bei der Taufe der Vater des Kindes mit den Pathen vor den Altar, daselbst wird auch bei dem heiligen Abendmahl Brot statt der Hostie gereicht.

Bei Leichenbegängnissen werden von der Schuljugend, während sich der Leichenzug zum Gottesacker bewegt und während der Einsenkung in das Grab geistliche Lieder unter Anführung des Schulmeisters gesungen; der sogenannte Leichentrunk ist noch in vielen Orten üblich und besteht entweder in einem Mahl oder in der Reichung von Wein, Käse und Brot. In Hausen a. d. Z. besteht die schöne Sitte, daß von dem sog. Leichentrunk, wie auch von dem Hochzeitsmahl, den Armen ein Theil zugeschickt wird.

Von Volksspielen ist hauptsächlich das Kegelspiel beliebt. Liederkränze bestehen in mehreren Orten und auch die Lichtkärze (Vorsitze) sind noch nicht ganz abgegangen. In Ochsenbach ist die sog. Weiberzeche noch üblich, daselbst wird am Pfingstmontag (früher auf Invocavit) den Weibern Wein und Brot gereicht, die alsdann nach Herzenslust ihr Krüglein leeren und auch ihren Männern zu bieten nicht versäumen. Diese Sitte bestand früher in mehreren Orten des Bezirks. In Güglingen wurden von 1563–1611 Schützenfeste und von 1673–1681 Maientage alljährlich abgehalten, welch letztere Sitte seit 1844 wieder eingeführt ist.

Das Gaugericht und der sog. Rebstock wurden 1556 in Pfaffenhofen aufgehoben; bei dem Gaugericht (sog. Faulheitsgericht) versammelte sich die Bürgerschaft vor dem Rathhaus, um einen Schultheißen und einen Büttel zu wählen, sodann zu Gericht zu sitzen und die Ämter zu vertheilen. Wenn unter den jungen Bürgern einer war, der seiner Haushaltung und seiner Arbeit nicht gut vorstand, so wurde er vor dem Gaugericht zu einem Amt ausgerufen, das man das „Faulamt“ nannte; war einer des Morgens nicht zur rechten Zeit bei der Arbeit, so wurde ihm das „Schlafamt“ übertragen. In dieser Weise wurden für den Lauf des Jahrs mehrere Ämter ausgetheilt. Wenn aber ein Bürger Geschäfte verrichtete, die sich

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Brackenheim. H. Lindemann, Stuttgart 1873, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABrackenheim0089.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)