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nur für Weiber schickten, so mußte er zwei Maas Wein auftischen oder in die Lade schwören.

Der sog. Rebstock war eine Art Frühlingsfeier, wobei der Bürgerschaft ein Eimer Wein aus dem Gemeindekeller zum Besten gegeben wurde. Die Festlichkeit bestand darin, daß von der ganzen Bürgerschaft in Procession eine Weinflasche an einer Stange in die Weinberge getragen und nachdem jeder Bürger seinen Hut mit Rebenlaub geziert hatte, wurde die ebenfalls damit geschmückte wieder unter das Rathhaus zur offenen Zeche zurückgebracht. Von den ledigen Burschen und Töchtern wurden indessen auf besonders gezierten Rossen zwei große Mühlkuchen aus der Mühle abgeholt und einer davon der Bürgerschaft überbracht, der andere beim Tanz von den jungen Leuten, denen ebenfalls ein Trunk aus dem Gemeindekeller gereicht wurde, im Wirthshause verzehrt.

An den Johannisfeiertagen arbeiten die Schmide und Nätherinnen nicht, damit der Blitz nicht einschlage. Der h. Johannes war früher der Patron der ehrsamen Schmidezunft.

Die Mundart bildet einen leichten Übergang von der niederschwäbischen in die pfälzische. Das Breite des schwäbischen Dialekts ist im ganzen Bezirke durch den Übergang in den pfälzischen etwas gemildert und verliert sich gegen die westliche und nördliche Bezirksgrenze immer mehr. Das harte schwäbische noi, noa (nein) wird hier ein gedehntes nai, wie überhaupt ei meistens als ai gesprochen wird, z. B. haim statt heim etc. Auffallend ist die kurze Aussprache sonst langer Silben, z. B. Gawwel statt Gabel, Wäggele statt Wägele, Stüwwle statt Stüble etc. Als besondere Ausdrücke sind anzuführen: a woll statt ach nein! ällbott statt manchmal, ällritt statt gar oft, die Bach statt der Bach, Bluest statt Blüthe, deihen statt gedeihen, deut sagen statt deutlich sagen, Dochel statt Hund, nicht ein Dusenöhrle statt nicht das mindeste, hanken statt hängen, kaafen statt kaufen, knütz statt spaßhaft, Kopfhaus statt Küchekasten, die Leidenschaft statt das Leiden, das Leitseil statt die Nabelschnur, räthig werden mit einem statt einig werden mit einem, stritzen statt spritzen, fein wird häufig für gut, angenehm gebraucht etc. In Nordhausen wird neben dem Deutschen noch Patois gesprochen, jedoch verliert sich letzteres immer mehr.


IV. Wohnorte.


1. Orte.
A. Zahl, Gattung und Areal.

Der Oberamtsbezirk zählt im Ganzen 65 Wohnplätze, und zwar 4 Städte, 24 Pfarrdörfer, worunter 3 mit Marktgerechtigkeit, 2 Dörfer, 3 Weiler, 11 Höfe und 21 einzelne Wohnsitze. Der Flächenraum sämtlicher Gebäude und Hofstätten beträgt 3183/8 Morgen.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Brackenheim. H. Lindemann, Stuttgart 1873, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABrackenheim0090.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)