Seite:OABrackenheim0432.jpg

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über den jetzt eingefüllten ersten Graben gelangt, besteht aus zwei, von derben Bossenquadern umfaßten Rundbogenportalen, das rechte kleiner und für die Fußgänger. – Durch das Thor eingetreten, sehen wir gegen Süden in langer Reihe steinerne mit Staffelgiebeln belebte Ökonomiegebäude sich hinziehen, und dann führt uns der Weg ostwärts auf hoher dreibogiger Steinbrücke über den sehr tiefen und weiten, z. Th. aus dem Felsen gebrochenen zweiten (Haupt) Graben, der mit Hollundersträuchen, Waldreben und Obstbäumen bewachsen ist, und durch das innere mit dem Neipperg’schen Wappen gezierte Thor nach der eigentlichen Burg, die nunmehr aus einem schlichten dreistockigen im rechten Winkel gebauten Renaissanceschlosse besteht. Der eine Flügel ist gegen Süden, gegen das Thal hinab, der andere gegen Westen gerichtet und an letzterem steigt an seinem Westende, als das einzige Überbleibsel der ursprünglichen Burg, der alte an den Ecken von starken Buckelquadern gefaßte und mit schönen Zinnen bekrönte viereckige Bergfried 102 F. hoch empor, oben von einem Rundbogenfriese und mit Ansätzen zu vier Erkerthürmchen gegliedert. Das Schloß selbst wurde im 16. Jahrhundert erbaut, hat ausgeschwungene, mit Kugeln belegte Giebel und geradgestürzte Sprossenfenster. Über dem Eingang des westlichen Flügels sieht man die Jahreszahl 1522, über dem des südlichen 1574, und das auch sonst angebrachte Wappen des Deutschordens. Am Südende dieses Flügels erhielt sich noch die alte hübsch bemalte flachgedeckte Schloßkapelle, mit einigen Fensterchen im geschweiften Spitzbogen und von steinerner Sprosse getheilt, – also im spätesten gothischen Geschmack. Unter der Kapelle blickt man durch ein Gitter in die vom Grafen Alfred von Neipperg eingerichtete tonnengewölbte Gruft. Rings um das Schloß läuft, im verschobenen Quadrat, der sehr tiefe Graben, und dahinter samt dem Zwinger die innere Ringmauer. In ähnlicher Form läuft die äußere theilweise zertrümmerte und mit Resten von Thürmen besetzte Ringmauer umher, und schließt sich im Westen an die schon beschriebenen Vorwerke an. Dagegen steht noch, leidlich erhalten und ganz von Weinreben und Epheu überwuchert, an der Nordostecke der inneren Ringmauer der alte runde Hexenthurm und an der Nordwestecke springt vor dem Bergfried ein großes Halbrondel vor; in der Ostseite der Mauer findet sich ein alter gothischer Schlußstein mit schönem Christuskopfe. Mauern und Gräben sind von Reben umrankt und durch reiche Gartenanlagen verschönert, und so bildet die ganze Burg, von den verschiedensten Seiten gesehen, höchst malerische Ansichten; dazu noch der herrliche Blick in die Ferne: an die Löwensteiner Berge, die Alb, den Stromberg, und hinein in das üppig grünende Zabergäu mit allen seinen Dörfern, Städten und Burgen, wo schöne Obstbäume die Landstraßen, Pappeln und Weiden die hold sich schlängelnden

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Brackenheim. H. Lindemann, Stuttgart 1873, Seite 432. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABrackenheim0432.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)