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(Fortsetzung von S. 102.)

Neidenfels. Sehr vieler Herren Länder haben beigesteuert, um hier eine Bevölkerung kosmopolitischen Charakters zu gründen, welche mühsam mit dem Leben ringt und dem Mangel eines auch nur annähernd genügenden Grundbesitzes theils durch Hausirhandel in ganz Deutschland und der Schweiz, theils durch Kleingewerbe, wie in Neidenfels und Beeghof, abzuhelfen sucht. Der „Matzenbacher“, unter welchem Namen der Schwabe den Händler von der Crailsheimer Hardt kennt, obgleich Unter-Deufstetten den eigentlichen Mittelpunkt des sehr ansehnlichen Handelsbetriebs bildet, ist eine in Württemberg, ja in ganz Süd- und Mitteldeutschland bekannte Gestalt, weit besser als sein Ruf. Draußen mühsam und kümmerlich sich nährend in saurem und ehrlichem Handel, ärmlich sich kleidend, immer muthig und munter auch bei schlechten Geschäftsverhältnissen, glücklich, unter der derblinnenen Decke seines Wagens ein Obdach für Weib und Kind zu haben, hält er darauf, den Zusammenhang mit der Heimat sich zu wahren. Pietätsvoll will er am Allerseelentag daheim sein und die Gräber in der Heimat schmücken. Hat man sich acht Monate lang im Wagen und in den Scheunen beholfen, so will man nun die traulichen Wintermonate im eigenen, wenn auch kleinen, so doch sauberen Häuschen zubringen. Hat man draußen vielfach auf Kredit Handel getrieben, so werden bei der Heimkehr mit dem sauer erworbenen und mühsam oft unter Anspruchnahme der Wohlthätigkeit gesparten Gewinn die Schulden ehrlich bezahlt. Daß bei reichlichem Gewinn und gutem Geschäftsbetrieb im Winter daheim manchmal mehr aufgeht, zumal bei der Jugend, als nöthig ist, läßt sich bei den Entbehrungen und Beschwerden der Wanderschaft vom Frühjahr bis zum Spätherbst wohl verstehen. Der Eindruck, den die Handelsorte auf einen unbefangenen Besucher machen, die Beobachtung, wie der „Matzenbacher“ bei dem hohenlohischen Bauern mit seinem Scharfblick und seinem Mißtrauen dennoch Aufnahme findet, die keineswegs unverhältnismäßigen Ansprüche an die Thätigkeit der Gerichte sind wohl geeignet, das landläufige Urtheil über den Charakter dieses Handelsvölkleins zu berichtigen. In Bezug auf die konfessionellen Verhältnisse der gemischten Bevölkerung ist zu beobachten, daß der Drang nach Seßhaftigkeit und Grundbesitz beim evangelischen Theil größer ist, als beim katholischen.

Über die Besonderheit der schwäbischen Gemeinde Stimpfach ist aus der Feder eines scharfblickenden Crailsheimers im Schw.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Crailsheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1884, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OACrailsheim0106.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)