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Wolltuch, wird jetzt von modernem Fabrikat bereitet. Zum männlichen Staat gehört die silberbeschlagene Pfeife mit Rehkrone und Silberkette, die, wenn nicht geraucht, aus der Seitentasche hervorsehen muß. Bei den Frauen wird die schwarze Radhaube von Flor immer seltener. Die äußerst wohlstehende weiße Radhaube der Jugend ist ganz verschwunden, dagegen hat sich die niedere Bandhaube, welche in der Form eines Nachens das Hinterhaupt bedeckt, an der eine ganze Reihe über 10 cm breiter und 70–80 cm langer seidener Bänder hängt (15–20 M. im Werth), erhalten. Beim Überfeldgehen hüllen sich die Frauen in ein großes dreieckig zusammengeschlagenes Kopftuch, das vorn zusammengeknotet wird, während der dritte Zipfel auf dem Rücken liegt. Im Allgemeinen ist bei der evangelischen Bevölkerung die dunkle, bei der katholischen die helle und bunte Farbe in der Tracht vorherrschend.

Die Nahrung ist einfach, aber kräftig. Beim Landvolk gibts in der Frühe Kartoffeln und Wassersuppe, mit Milch geschmelzt, Mittags im Winter meist Sauerkraut mit Fleisch, gesalzen oder geräuchert, im Sommer Mehlspeisen mit Salat, Sonntags Nudeln und „grünes“ d. h. frisches Fleisch mit „Krê“, Meerrettig, zum Vesper oder „Ohnabrot“ Brot meist aus Roggenmehl, im Sommer „gestockte“ Milch, häufig ohne den Rahm, hie und da Most oder Weißbier, zum Nachtessen Wassersuppe, Milch und Kartoffeln. In die Milch wird das Brot gebrockt, ja nicht geschnitten. Denn dadurch schneidet man den Kühen die Milch ab. Der Bauer schlachtet jeden Spätherbst eine fette Kuh oder ein Rind, im Frühjahr 1–2 Schweine. Bei Festessen, als Taufe oder Hochzeit darf das Süßbrühfleisch oder Voressen nicht fehlen. Allsonntäglich erscheint wo möglich in jedem Hause „Galoppen“ d. h. Gugelhopfen, und „Plâtz“. Im Herbst fährt der Bauer gern ins „Weinland“ an der Tauber, Jagst, Kocher und Sulm, im Sommer bezieht er sein Fäßchen Bier aus der Brauerei.

Die Sitten und Gebräuche im Bezirk sind im Ganzen die des fränkischen Stammes und darf hier auf die eingehende Schilderung des Gemeinsamen in Sitten und Gebräuchen auf die Oberamtsbeschreibungen Künzelsau und Mergentheim verwiesen werden. Hier heben wir unter kurzer Angabe des Gleichartigen das Eigenthümliche, dort nicht Erwähnte heraus.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Crailsheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1884, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OACrailsheim0109.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)