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der Taufpathen steigt mit dem Reichthum. Taufschmaus oder Kindleskirwe ist auch beim geringsten Mann. Wer zum ersten mal Pathe wird, gibt dem Pfarrer ein „Hentsche“ (Handschuh) geld. (Honh.) Sehr gerne tauchen die Hebammen den Schlozer ins Taufwasser. Wenn eine Taufe am gleichen Tag mit einer Beerdigung ist, stirbt das Kind; jedenfalls muß das Grab vor der Taufe geschlossen werden. Auch gleichzeitge Taufe zweier Kinder bringt einem den Tod. Die Pathen (Doten) schenken dem Kind 5 Mark oder mehr, im ersten Jahr ein Dotenkleid, an Weihnachten und Ostern einen gebackenen Ring, farbige Eier und Lebkuchen, bei der Konfirmation Gesangbuch, Hemd und Halsbinde. Die Wöchnerin darf vor 6 Wochen nicht an den Brunnen, in den Garten oder Keller, sonst werden diese verunreinigt. Werden kleine Kinder zum ersten mal in ein Haus getragen, so erhalten sie ein Ei, damit sie leichter zahnen. Im ersten Lebensjahr dürfen Kinder nicht in den Spiegel sehen, ihre Haare dürfen nicht geschnitten werden, auch sollen sie keine Schläge bekommen, sonst lernen sie hart. Suppenschnitten dürfen Kinder nicht essen, sonst können sie einmal nichts „merken“ d. h. ihr Verstand entwickelt sich nicht. Die ledige Jugend vergnügt sich im Winter am Vorsitz, der in den südöstlichen Gemeinden der „Harlis“ heißt. Man geht „ins Dorf.“ Unzarte Witze bleiben dabei nicht aus. Ist Metzelsuppe in einem Hause, dessen Jugend auch ins Dorf geht, d. h. zur Vorsitzgesellschaft gehört, so verkleidet sich ein Paar als Bettler, erscheint mit großen Töpfen und bittet von der Metzelsuppe seinen Theil Kraut und Fleisch. Die Gabe ist so reich, daß die ganze Gesellschaft davon bekommt.

Auf den Ehestand wirkt „die Vorsitz“ mit den daran sich knüpfenden Liebesverhältnissen wenig ein. Meist wird von den Eltern über das junge Paar, das sich „nehmen“ soll, einfach vom Standpunkt des Geldes verfügt. Verlöbnis, „Heiratstag“ ist meist am Freitag, aber wie auch die Hochzeit nicht im abnehmenden Mond. Spreuerstreuen zum Spott für die „Sitzengebliebenen“ sowie Hühnerkrähen ist auch in unserem Bezirk am Verlöbnistag Sitte.

Der Einzug vor (oder auch nach, s. OA.Beschr. Künzelsau) der Hochzeit verläuft wie sonst in Franken. Beim Laden des Brautwagens darf weder Braut noch Bräutigam sich betheiligen. Zuletzt kommts an die Bettstücke. Die Gebetbücher, welche die Braut mit bekommt, werden in die Betten gesteckt. Um die Wiege entsteht hier der obligate Streit zwischen „Hochzi“knechten und „Hochzi“maden. Oft wird die Wiege im Streit aus einander gezerrt oder von den Hochzeitknechten mit Ketten an einen Scheunenbalken gehängt.

In Triensbach, Tiefenbach und den nördlichen Bauerngemeinden des Oberamts erhält der Pfarrer und Lehrer an der Hochzeit von den Brautjungfern ein Tüchlein, Citrone und Rosmarin. Hochzeitsträuße werden allmählig üblich. Zur Trauung nimmt die Braut einen Lebkuchen mit, den das junge Paar nach der Trauung mit einander ißt. (Bronnh.) Dem Bräutigam streut man in den Hochzeitstrauß Leinsamen, daß der Flachs gedeiht. Auf dem Weg zur Kirche soll man so schnell als möglich gehen, ebenso heimwärts. Früher trugen die Hochzeitknechte ein farbiges Band, einen Degen an der Seite, auf dem Gang zur Kirche.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Crailsheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1884, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OACrailsheim0112.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)