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Bei der Trauung ist das nahe Zusammenstehen des Paares üblich, ebenso das Ringen, wer die Hand beim Zusammenlegen oben behält und damit Aussicht auf das Hausregiment hat.

Die Hochzeiten sind meist Freihochzeiten, im nördlichen Theil mehr im Haus, im südlichen im Wirthshaus. Zechhochzeiten sind in Rechenberg und Umgegend üblich, jeder zahlt seine Zeche.

Der zweite Hochzeittag hieß früher der Rockentag, vgl. Bavaria 3, 966 (Kirchenb. von Honhardt und Segringen-Deufstetten). Eigenthümlich war das „Hennenreiten“ in der Gegend von Deufstetten-Segringen. 1595 wird eine Frau von Hardthof bei Segringen „beim Hennenreiten an ihrer Tochter Hochzeit von einem Pferd erstoßen.“ Eine große Hochzeit währt 4–6 Tage, kostet das junge Paar oft z. B. in Gründelhardt 600–700 Mark. In Honhardt war es früher Sitte, daß der Lehrer am Schluß der Hochzeit die Zeche ausrief zum Beweis der reichen Bewirthung und des Wohlstandes des Paares, dann folgt der Eierplâtz, heute noch das Zeichen zum Aufbruch für die Jugend, der das Scheiden oft schwer genug wird. Die Eier dazu werden von der Jugend in den Häusern gesammelt.

Vierzehn Tage oder etwas später nach der Hochzeit kommt die junge Hochzeitsgesellschaft noch einmal im neuen Hause zusammen zum Tischrücken, einer Art Nachhochzeit.

Die Ehen sind fast ohne Ausnahme friedlich. Die Dienstboten, „Ehehalten“, werden aufs Jahr gedingt. Das Dienstjahr beginnt mit Lichtmeß. Unter den Dienstboten herrscht strenge Rangordnung und Geschäftstheilung. Außer gutem Lohn und reichlicher Kost erhalten die Dienstboten ihre „Zugehörung“ an Wolle, Leinwand, Schuhe und Kleider.

Im landwirthschaftlichen Betrieb hat alles seine Regel und seine Zeit. Z. B. in der Ernte schneidet jeder sein Beet. Soll ein Kalb losgebunden d. h. entwöhnt werden, so nimmt man den Strick Sonntags zuvor in die Kirche (Roßf.).

Beim „Gerstengrätten“ (Dreschen) kommt der Scherz vor, einfältige Leute zum Nachbar zu schicken, um den „Gerstengrätter“ (gibts nicht) zu holen; derselbe schiebt eine Last Steine oder Holz in einen alten Sack und lädt ihn dem Boten, den man heimlich mit Ruß beschmiert, auf den Rücken mit dem Wunsch: „So nun bring den Gerstengrätter gut heim.“

Auf den frisch angeschnittenen Laib Brot macht man 3 Kreuze. In den letzten Laib, den es beim Backen gab, drückt die Hausfrau die 3 Schwurfinger. Dieser sog. „Stupflaib“ muß nach den andern gegessen werden.

Bringt die Jahreszeit eine neue Speise, z. B. der Vorsommer grünen Salat, der Herbst Sauerkraut, so gibt der Hausherr seinem Tischnachbar eine leichte Ohrfeige mit den Worten: Neue Speis, laß umme gehn, und so macht die Ohrfeige die Runde am Tisch.

Beim Aufrichten eines neuen Hauses ist der Zimmerspruch üblich. Der Obergeselle spricht den Glückwunsch, leert dabei ein Glas und wirft es auf den Boden (Rasen oder Dunghaufen). Um das Glas entsteht ein Wettlauf. Denn bleibt es ganz, so hat es eine Heilkraft gegen die Fallsucht. Nach dem Spruch werden auf die Schuljugend Huzeln herabgeworfen, denen zum Denkzeichen ein Wasserguß folgt.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Crailsheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1884, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OACrailsheim0113.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)