Seite:OAEßlingen 098.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Das Aussehen der Stadt zur Zeit der Blüthe ihrer Macht und ihres Wohlstandes muß von außen und innen sehr stattlich gewesen seyn, da die zahllosen Mauerthürme, die unverhältnißmäßig vielen großen und kleinen Thore (gegen 30), die vielen Streit- (oder sog. Raub-)Thürme und Steinhäuser der Geschlechter den Eindruck gewaltiger Festigkeit und Wehrhaftigkeit machten, während die große Zahl von Kirchen und Kapellen, Klöstern und ansehnlichen Bürgerhäusern die Vorstellung ungewöhnlicher Wohlhabenheit erwecken mußte. Von diesem alterthümlichen Charakter hat die Stadt neuerdings sehr viel verloren, ohne sich das heitere gefällige Aussehen moderner Städte angeeignet zu haben. Zwar fehlt es nicht an einzelnen schönen öffentlichen und Privat-Gebäuden, deren Zahl mit jedem Jahr im Zunehmen ist, und eben so wenig an dem Bestreben, mehr Regelmäßigkeit in die Anlage der Stadt zu bringen und den Häusern wenigstens in den Hauptstraßen eine saubere Außenseite zu geben; im Ganzen aber ist die Bauart unschön und wenig solid; Riegelwandungen (oft nur mit Flechtwerk), vorstehende Stockwerke, Hohlziegeldächer mit spitzen Giebeln etc. sind vorherrschend. Die schönste und breiteste Straße ist die Ritterstraße (Ritterbaustraße) die erst nach dem großen Brand im J. 1701 entstand. Die längsten und, nach jener, regelmäßigsten sind die Bliensau- und Oberthorstraße. Die hübschesten Häuser aber sind die neugebauten vor dem ehemaligen Vogelsangthor, in der nunmehrigen Fabrikstraße. Nach dieser Seite hin gewinnt die Stadt eine sehr gefällige Erweiterung. Sämmtliche übrige Gassen sind mehr oder minder schmal und besonders in den Vorstädten mit ziemlich unscheinbaren Häusern besetzt. Öffentliche Plätze sind: der Marktplatz mit dem anstoßenden, durch den Abbruch der Hospitalgebäude 1811 entstandenen Spitalplatz, ein ansehnlicher freier Raum, der besonders in den letzten Jahren bedeutend gewonnen hat. Hier stehen die Stadt- und die ehemalige St. Paulskirche, das alte und neue Rathhaus und mehrere schöne Privatgebäude; der Hafenmarkt, Holzmarkt und der Ottilien-(Ilgen-)Platz, alle drei ebenfalls in der innern Stadt, von geringer Ausdehnung; der Roßmarkt in der Bliensau, eine breite Straße zum Schelzthor; der Kies mit dem jetzt trocken gelegten Entengraben.


    welche an den Häusern befestigt waren. Die Laternen, welche 1761 an deren Stelle traten, kamen später wieder in Abgang und erst vor kurzer Zeit wurde die Beleuchtung der Hauptstraßen wieder eingeführt. – Vernünftigerweise hat die Stadt die Namen der Plätze, Straßen und Gassen, wie sie sich nach und nach von selbst gebildet haben, und seit Jahrhunderten im Munde des Volks leben, nicht mit willkührlichen neuen vertauscht.

Empfohlene Zitierweise:
August Friedrich Pauly: Beschreibung des Oberamts Eßlingen. Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1845, Seite 098. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAE%C3%9Flingen_098.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)