Seite:OAEßlingen 201.png

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Westende steht das Schloß, wovon das Nähere hiernach. – Über den Neckar führt eine schöne steinerne Brücke von 255 Wiener Fuß Länge, gewöhnlich die Köngener Brücke genannt, wiewohl schon auf Unterboihinger Markung gelegen. Früher bestand hier eine den Thumben von Neuburg gehörige Fähre. Durch Vergleich mit Graf Ulrich von Württemberg den 20. Dez. 1452 entsagt Albrecht Thumb dem Fährrecht und gestattete die Anlage einer Straße durch seine Güter, worauf Graf Ulrich eine Brücke erbaute. Der kühne Sprung Herzog Ulrichs zu Pferde von dieser Brücke herab in den Neckar beruht auf einer Volkssage; geschichtlich ist nur ein vergeblicher Neckarübergang dieses Herzogs mit seinem Kriegsvolk gegen die Bündischen, vor welchen er sich schnell zurückziehen mußte, Sept. 1519. S. Heyd H. Ulrich I. S. 580. Die gegenwärtige Brücke ist etwas unterhalb dieser alten hölzernen, welche nicht mehr besteht, 1622 erbaut worden.

Die Bewohner, deren Anzahl in raschem Zunehmen begriffen ist, sind fleißig und mehr als früher ökonomisch. Der sittliche Zustand, bei einem Theil der Gemeinde keineswegs tadelfrei, scheint sich zu bessern. Die Pfarrbeschreibung (von einem jetzt verstorbenen Ortsgeistlichen) sagt: „Die Leute besitzen größtentheils gute Verstandesgaben, wissen klüglich ihren Vortheil zu besorgen und haben von sich selbst eine hohe Meinung.“ Zu ersterem sind sie freilich durch die vorherrschende Armuth gedrängt; ein großer Theil kämpft mit Nahrungssorgen und Bemittelte giebt es in der großen Gemeinde nur sehr wenige. Auf dem Ort und den Feldgütern ruhten ungewöhnlich hohe Lasten (namentlich Theilgebühren) welche bis jetzt keinen Wohlstand aufkommen ließen, nunmehr aber zur Ablösung gekommen sind. Die Nahrungsquellen bestehen im Feldbau, in der Vieh- und Schweinezucht, dem Viehhandel und in der Leinweberei. Die Grundstücke sind hier (nächst Eßlingen) am meisten parcellirt; auf einen Morgen kommen im Durchschnitt drei Theile. Geschlossenes Gut ist nur eines, das Weishaarsche (s. unten) vorhanden. Die Ackerfläche ist zwar die ausgedehnteste im Oberamt, der Boden ein größtentheils tief gehender Lehmboden und im Ganzen fruchtbar, allein der Gewinnung des höchst möglichen Ertrags steht vielfältig die Armuth der Bewohner im Wege, welche bei beschränktem Viehstand und ungenügender Futtererzeugmig auf die Besserung ihrer Güter nicht immer den gehörigen Aufwand zu machen im Stande sind, auch mitunter für das bessere Neue noch wenig empfänglich sich zeigen. An Aufmunterung fehlt es weder von Seiten der thätigen Ortsobrigkeit, noch einzelner unterrichteter und fortschreitender Landwirthe. In letzterer Beziehung verdient besonders auszeichnende Erwähnung das anregend wirkende Beispiel, welches

Empfohlene Zitierweise:
August Friedrich Pauly: Beschreibung des Oberamts Eßlingen. Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1845, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAE%C3%9Flingen_201.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)