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Schulhaus wurde vor etwa 30 Jahren erbaut. Ein Wohnhaus für beide Schulmeister ist dermalen im Werke.

Jebenhausen zählt die wenigsten unehelichen Geburten. (S. oben S. 37.) Die christlichen Einwohner sind arbeitsam und häuslich, aber meist sehr arm; die jüdischen stehen ungleich besser. Die letzteren haben finanziellen Rücksichten der Gutsherrschaft ihre Existenz zu danken. Nach dem Schutzbriefe vom 7. Juli 1777 sollten in so lange, als die Juden im römischen Reich geduldet würden, auch in Jebenhausen 20 Judenfamilien unter herrschaftlichem Schutze sich aufhalten dürfen. Aber theils durch Hereinzug, theils durch zahlreiche Geburten und frühes Heirathen des Nachwuchses war die Zahl der Familien schon 1828 auf 75 herangewachsen. [1] Im J. 1821 haben sie bestimmte deutsche Namen angenommen.

In landwirthschaftlicher Hinsicht kommt hauptsächlich der Wieswachs in Betracht, weil er auch den Ärmeren in den Stand setzt, einiges Melkvieh zu halten und die Milch an die Juden in verkaufen. Die Obstbaumzucht steht in Folge früherer Veredlung durch die Grundherrschaft in gutem Flor und der seit einigen Jahren mit lauter edeln Obstsorten angepflanzte, 12 M. große, Gemeindewasen verspricht in Bälde einen sehr reichen Ertrag. Der Ort zeichnet sich durch einige großartige Fabriken aus. Die größte ist die von A. Rosenheim u. Comp.; sie wurde 1835 gegründet, fabricirt baumwollene und leinene Waaren, hat eine eigene Färberei und beschäftigt in Jebenhausen selbst nur 12 Arbeiter, auswärts aber, in diesseitigen Orten und in benachbarten Bezirken, 6 — 700 Webstühle

Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Göppingen. J. G. Cotta’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAG%C3%B6ppingen_254.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)
  1. Sehr interessant ist die „vergleichende Darstellung des Ganges der christlichen und jüdischen Bevölkerung von Jebenhausen in den Jahren 1812 bis 1822,“ von Hr. Pfarrer M. Payer, im I. Heft des XIII. Bandes der Studien der evangelischen Geistlichkeit Württembergs. In der gedachten zehnjährigen Periode waren 4 Juden mehr hinaus- als hereingezogen, und doch hatte sich die jüdische Seelenzahl sechsmal stärker vermehrt, als die christliche; da durchschnittlich diese Vermehrung jährlich bei der ersteren 3, bei der letzteren 1/2 Procent betrug. Gleichwohl war die Sterblichkeit der jüdischen Kinder unter 1 Jahr auffallend größer als die der christlichen und das Verhältniß der unehlichen Geburten zu den ehlichen wie 1 : 86, während dieses Verhältniß bei den Christen wie 1 : 8,375 war. Im Allgemeinen liegen auch hier die Ursachen dieser auffallenden Erscheinung hauptsächlich in einer verhältnißmäßig größeren Zahl von Ehen bei den Juden, in einer größeren Fruchtbarkeit derselben und in einer geringeren Sterblichkeit als bei den Christen. Bemerkenswerth ist, daß Schleim- und Nerven-Fieber in 16 Jahren unter den hiesigen Juden nicht beobachtet wurden, wenn sie auch in der Umgegend und selbst in der christlichen Bevölkerung der Gemeinde herrschten.