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Christian Ludwig Fromm: Beschreibung des Oberamts Gerabronn

sehr sittlich zugeht, und im Übrigen reißt die Gewohnheit bei der Jugend ein, die Nachmittage der Sonn- und Feier-Tage auswärts, namentlich in dem nächstgelegenen Städtchen, zuzubringen und dort manchmal des Guten etwas zuviel zu thun. Von Spielen wird bloß das Kegelspiel häufig getrieben. Auch ist hier eines eigenthümlichen Volksfestes, das unter dem Namen „die Mußwiese“ bekannt ist, zu erwähnen, da der Besuch dieses fünftägigen Marktes bei dem Weiler Mußdorf für Jung und Alt Bedürfniß ist, und einen Sammelplatz zu allgemeinen Lustbarkeiten für die ganze Gegend bildet, auf die sich alle Stände schon Monate zuvor freuen (s. die Ortsbeschreibung).

Was die Familienverhältnisse in Bezug auf die zeitlichen Güter betrifft, so besteht zwischen den Eheleuten meist allgemeine Gütergemeinschaft; die Besitzungen an Haus und Gütern, d. h. Grundstücken gehen in der Regel bloß an Eines der Kinder über, während die Geschwister mit Geld abgefertigt werden. Die Eltern wählen beliebig meist das Kind, das zur Zeit, wenn sie sich zurückziehen möchten, gerade die passendste Heirath zu treffen weiß, und nicht selten lassen sie sich noch in rüstigen Jahren durch eine solche Gelegenheit zur Gutsabtretung bewegen. Vermögen wird vorbehalten und neben freier Wohnung für sie und die übrigen Kinder ein genügendes Leibgeding zum Kaufschilling bedungen. Von nun an nimmt der Gutsübernehmer die erste Stelle im Hause ein, doch wird er in seiner Ökonomie von den Eltern unterstützt, so lange sie arbeitsfähig sind. Daß das gewählte Kind gegen die übrigen im Vortheil steht, kommt wohl vor, ist aber auch häufig nicht der Fall; denn manchmal muß das Gut Schulden halber, oder damit die übrigen Kinder einiges Vermögen bekommen, theuer bezahlt werden. Dieser Einrichtung verdankt man den, für die Bevölkerung selbst in den mannigfachsten Beziehungen wohlthätigen, auch für den Staat und die Gemeinden vortheilhaften, Fortbestand größerer Bauernhöfe.

Empfohlene Zitierweise:
Christian Ludwig Fromm: Beschreibung des Oberamts Gerabronn. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1847, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAGerabronn0038.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)