Seite:OAHall0046.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Mittel, eine Lebensweise zu führen, die grell genug gegen die knappe, kümmerliche und sorgenvolle Existenz so mancher Einwohner unseres Landes absticht. Es ist aber dem hall’schen Bauern bei seiner bequemen Lebensweise nicht allein um sein Wohlbehagen, sondern hauptsächlich auch darum zu thun, sich sehen zu lassen. Dazu bietet sich ihm nun, außer dem famosen Samstagswochenmarkt in Hall, das Jahr über reichliche Gelegenheit dar. Zu Weihnachten die „rinderne“, nach Lichtmeß die „schweinene Metzelsuppe“, wobei das Gesinde bewirthet, Verwandte und auch wohl Nachbarn eingeladen werden. Auf die Fasten Küchlein, auf Ostern weiß Brod und Kuchen, was wieder dem Gesinde zu gut kommt. Nach eingeheimster Winterfrucht das „Niederfallen.“ Es wird hiebei ein Feldzug gegen Fleischmassen eröffnet, die den Zuschauer wahrhaft in Erstaunen setzen. Ein Biersee unterschwemmt das Ganze, und der Branntwein wird als Öl in seine Fluth gegossen. Nun kommt der Kirchweihsonntag, der in ähnlicher Weise, nur ernster zugebracht wird, weil der darauf folgende Montag dazu bestimmt ist, alle Geister der rohesten ungebundensten Lust zu entfesseln! Es wird in jedem Sinne geschwelgt, bis in den hellen lichten Tag hinein, und obwohl dieses mehr vom Gesinde und der ledigen Jugend gilt, so nehmen doch die Familienhäupter als Zuschauer und Mitverzehrer den innigsten Antheil an dieser Lustbarkeit. Ähnliches bieten die Jahrmärkte in Hall, vornehmlich der altberühmte Jakobimarkt dar. Hier wird der Tanzlust bis zur Übersättigung gefröhnt, die Liebenden bewirthen sich gegenseitig oft mit sehr bedeutendem Aufwand, und Schaaren ländlicher Schönen wogen die Stadt auf und ab, Fliegenwedel, das Geschenk ihrer Liebhaber und bedeutsame Symbol innigster Vertraulichkeit in den Händen schwenkend. Der Jakobimarkt ist einer der Lieblingstage der hall’schen Landleute, und genießt noch jetzt, wenn gleich seine Frequenz abgenommen zu haben scheint, eines bedeutenden Rufs und eines Zulaufes von Nah und Fern. Alt und Jung freut sich das ganze Jahr darauf, und es wird nicht nur der Ankauf vieler Bedürfnisse auf denselben verschoben, sondern auch eine große Kleiderpracht, besonders vom weiblichen Geschlechte, zur Schau getragen. Hier prangen die niedern Häubchen mit langen und breiten, über Schultern und Rücken hinabwallenden, schwarzseidenen Bändern, die über den Schläfen dicht am Ohr rückwärts gescheitelten, von zweideutigen Schmeidigungsmitteln glänzenden Haare, die man erst seit wenigen Jahren in Zöpfe zu flechten anfängt, während man sie früher nach der Männer Weise kurz geschnitten trug und diese Unzier mit der Haube bedeckte. Hier kommen in aller Glorie die Spenser mit bauschigen Ärmeln auf

Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Hall. Verlag der J. G. Cotta’sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1847, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHall0046.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)