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An den Einkorn knüpfen sich einige Volkssagen, die uns Hr. Pfarrer Cleß mitgetheilt hat. Die erste ist jene vom Rehberger oder Rechberger. 1

Derselbe ist der Rübezahl des hallischen Landes, obschon nicht in dem wohlthätigen und hülfreichen Sinn, in welchem sich der Geist des Riesengebirges kund gibt. Rehberger ist der neckische Spuck-, Irr- und Polter-Geist, der die Spätlinge, die mit etwas zu voller Ladung heimkehren, die Händler, welche ein nicht ganz moralisches Profitchen im Gurt, oder ein dergleichen Projekt im Kopfe durch die Nacht tragen, die menschlichen Kater, die „um die Feuerleitern streichen,“ die Fuhrleute, welche, um die bei Tag in den Wirthshäusern versäumte Zeit hereinzubringen, nächtlicher Weile ihr armes Gespann bergauf plagen, irre führt. Bald leuchtet er als eine Feuersbrunst in einer benachbarten Ortschaft und lacht unbändig, wenn die Gefoppten den brennenden Weiler unversehrt und in tiefster Ruhe finden; bald schreit er kläglich um Hülfe, und scheint sehr befriedigt, wenn die zu Hülfeeilenden in eine Pfütze plumpen; bald knarrt und ächzt er als überladener Wagen mit Peitschengeklatsch und Fluchen eine Steige hinauf, und ist plötzlich stille, wenn die, welche Beistand leisten wollen, ihr eigenes Fuhrwerk in einen Graben absetzen; bald humpelt er als ein müder, gebückter Wanderer mit einem Wesen, als wünsche er die Gesellschaft des Nachschreitenden, auf einem Fußpfade voraus, und ist jählings verschwunden, wenn dieser von einem herabhängenden Baumast einen Schlag vor den Schädel erhält, oder seine Beine gen Himmel kehrt; bald tanzt er als ein Licht voraus, und verlischt, wenn die Leute nach einigen Stunden genau wieder an den Ort anlangen, von wannen sie ausgegangen sind. Sein Gebiet ist die ganze Gegend, welche vom Kocher- und Bühler-Fluß umschlossen wird, also vorzugsweise die sogenannte thüngenthaler Ebene bis Ober-Sontheim, und das Fischerthal, sein eigentlicher Sitz aber der Einkorn, der sich zu den oben beschriebenen Operationen dadurch besonders eignet, daß sich dieser Berg sammt seinen Ausläufern als einziger Höhepunkt mitten in der Ebene erhebt, und somit auch bei Nacht, zumal wenn der Spuck ein feuriger ist, weithin sichtbar wird. Überdieß führt die Landstraße, von Hall nach Ellwangen, welche die einzige Communikationslinie zwischen dem östlichen und westlichen Theil des Oberamts bildet, über die nordöstliche Abdachung des Einkorns, und ist somit durch ihre Frequenz ein auserlesener Schauplatz für Rehbergers Thätigkeit. Die Sage meldet, Rehberger sey der Befehlshaber eines Fähnleins Haller gewesen, das er im Kriege, wahrscheinlich im Städtekrieg, entweder zum Feinde übergeführt, oder zur Niedermetzelung

Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Hall. Verlag der J. G. Cotta’sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1847, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHall0255.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)