Seite:OAHeilbronn 060.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

die Einwohner der Stadt und Umgegend viel mit Handelsleuten, Schiffern u. s. w., insbesondere mit den noch beweglicheren Rheinländern in Geschäftsberührung. Von jeher sehen sich auch viele Jünglinge, welche sich dem Handel oder Gewerben widmen, gerne in der weiten Welt um, ehe sie sich in der Heimath niederlassen, so daß der Bezirk sich sehr von solchen unterscheidet, deren Bewohner sich fast ausschließlich mit Ackerbau und Waldwirthschaft beschäftigen.

Diese eigenthümlichen Verhältnisse haben ihr Gutes und ihr Schlimmes. Der Heilbronner ist fleißig und unternehmend und wagt eher, als daß er seine Hände in den Schooß legt; er ist gefällig gegen Fremde, hat etwas feinere Formen im Umgange, ist höflicher, wird aber vielleicht vom Schwaben an inniger Herzlichkeit übertroffen; er ist schnell entschlossen, übereilt sich aber deßhalb auch oft und würde manchmal besser thun, länger zu überlegen, und Neuerungen, die man ihm anpreist, vorher besser zu prüfen. Er hat Geschmack und Sinn für das Schöne und Gefällige. Er ist freigebig, wohlthätig gegen Nothleidende und eher zur Verschwendung als zum Gegentheil geneigt. Geizige werden immer seltener, dagegen fehlt es nicht an Aushausern, die in den Tag hinein leben und sich auf die Unterstüzungen Anderer verlassen, insbesondere in der Stadt, wo von Manchen unverschämte Anforderungen an die Armenanstalten und an Wohlhabende gemacht werden.

In Religionssachen zeigt der Heilbronner mehr die Eigenthümlichkeiten des fränkischen als des schwäbischen Stammes. Intoleranz und Schwärmerei liegen ihm fern. Jedoch hat in neuerer Zeit auch das Sektenwesen mehr um sich gegriffen.

Göthe sagt in einem Briefe dd. Heilbronn 28. Aug. 1797: Die Menschen sind durchaus höflich und zeigen in ihrem Betragen eine gute, natürliche, stille, bürgerliche Denkart. Die Mägde sind meist schön, stark und fein gebildete Mädchen und geben einen Begriff von der Bildung des Landvolks.

All dieses gilt vorzugsweise von dem Stadtbewohner, aber die Einwohner der nächstliegenden Orte neigen sich ebenfalls zu diesen guten und schlimmen Eigenschaften hin.

In Beziehung auf die Mundart bildet Heilbronn einen nicht uninteressanten Knotenpunkt, in welchem sich verschiedene Dialecte kreuzen. Im Allgemeinen ist die Heilbronner Mundart unzweifelhaft eine fränkische, wenn auch mit schwäbischer Schattirung zu nennen. Näher betrachtet stoßen hier drei Dialecte zusammen, der rheinfränkische in seiner pfälzischen, der ostfränkische in der hohenlohe’schen,

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Heinrich Titot: Beschreibung des Oberamts Heilbronn. H. Lindemann, Stuttgart, Stuttgart 1865, Seite 060. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHeilbronn_060.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)