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In der Stadt sieht man keine barfüßigen Leute, und auf den Dörfern gehen nur Kinder barfuß, und auch diese blos im Sommer. Die Tracht hat nichts Eigenthümliches; auch in den Dörfern verschwindet immer mehr der dreispitzige Hut, die Lederhose und der Zwillchrock.


3. Besondere Gewohnheiten

finden sich wenige vor. Bei Taufen, Hochzeiten und Leichen wird wie im übrigen Lande gegessen und getrunken. Sogenannte Zechhochzeiten kommen aber nicht vor. Da die meisten Einwohner selbst Wein haben, so werden solche Familienmahlzeiten gewöhnlich in den Wohnungen der Familienväter gehalten.

Von altdeutschen Gebräuchen finden sich nur noch wenige Spuren. Das Fest des ersten Austreibens der Kühe in Heilbronn am Pfingstmontag, wobei die Kühe mit Blumen und Kränzen geschmückt und auf burleske Weise mit Kleidungsstücken, oft mit satyrischen Anspielungen auf lächerliche Moden, behängt worden sind, hat mit der Aufhebung der Viehweide aufgehört (1807).

Das Osterfest bringt auch hier noch den Kindern gefärbte Eier und Backwerke, den Alten das leckerhafte Fleisch gut gemästeter Osterochsen, weil die Metzger der Stadt unter einander wetteifern, in der Osterwoche den schwersten Ochsen zu schlachten.

Am Tage Johannes des Täufers (24. Juni), zur Zeit wo auch die alten Deutschen das Fest des Sonnenrades (Jolfest) gefeiert haben, springen noch jetzt die ledigen Leute in Sontheim über ein Feuer, und die Weingärtner in Heilbronn bekränzten noch bis 1803 eine hölzerne Bildsäule des Heiligen, die zu einem Schmause getragen wurde. Jetzt wird noch der sogenannte „Johannissegen“ dadurch gefeiert, daß man Abends Tische vor die Häuser trägt, und daran mit Verwandten und Freunden sizend, Wein, Kuchen etc. verzehrt.

Das Martinsfest (11. Nov.) wird nicht gefeiert, nur Knaben vermummen sich noch als „Pelzmärte“, machen ein Getöse mit Schellen und werfen wohl auch noch Erbsen an Fenster, daß die Scheiben klirren.

Allgemein aber ist es wie im übrigen Deutschland, daß man auf Weihnachten die Seinigen mit Kleidern und andern Gaben, die Kinder mit Spielsachen und Zuckerbackwerk beschenkt, und daß dabei ein Fichtenbaum mit Lichtern, vergoldeten Nüssen, Marcipan u. s. w. behängt, im Zimmer aufgestellt wird.

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Heinrich Titot: Beschreibung des Oberamts Heilbronn. H. Lindemann, Stuttgart, Stuttgart 1865, Seite 063. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHeilbronn_063.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)