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4. Vergnügungen.

Der Städter unterhält sich nur zu viel in Gasthäusern und Weinschenken. In keinem Orte des Königreichs wird so viel Wein verzehrt, als in der Stadt Heilbronn, wo in mehr als 200 Häusern Gelegenheit dazu ist, und da auch die Weingärtner ihren selbst erzeugten Wein ausschenken dürfen, so ist schon das siebente Wohnhaus ein solches gewesen, in dem man zechen kann.

Wenn der Wein wohlfeil ist, so geht sein Verbrauch in’s Unglaubliche. Ein einziger Bäcker, dem Gasthof zur Sonne gegenüber, hatte in den Jahren 1816 bis 1820 jährlich 2400 fl. bis 2700 fl. Umgeld zu bezahlen. Er schenkte jährlich 400 bis 500 Eimer, an manchen Tagen 11/2 Eimer in nur zwei Zechstuben aus.

Daher kommt es, daß das Umgeld allein von der Stadt jährlich im Durchschnitt 30.000 fl. beträgt, eine Summe, welche die ganzen Oberamtsbezirke Neckarsulm und Brackenheim mit einander nicht zu entrichten haben.

Doch ist darunter auch die Abgabe für Bier und Branntwein begriffen. Das Biertrinken nimmt mit dem Tabackrauchen von Jahr zu Jahr mehr überhand, das Branntweintrinken hat seit den Kriegsjahren wieder abgenommen.

Diese Menge Getränke werden jedoch nicht allein von den Einwohnern genossen; die vielen Reisenden, Schiffer, Fuhrleute, Flözer, Tausende von Marktleuten an Messen, Märkten, und die Besucher von Festen bringen ebenfalls durstige Kehlen in die Stadt.

Der Besuch der Heilbronner Messen, insbesondere am 1. Mai, und der sechs Viehmärkte gilt dem Landvolk aus der ganzen Umgegend als eine Volksbelustigung, wobei viel Wein, Würste und Backwerk verzehrt wird. Bewegliche Kochherde werden vor Häusern und beim Schießhause, wo die Märkte abgehalten werden, errichtet, auf denen den ganzen Tag das Schmalz in den Bratkacheln zischt, und der Geruch von Bratwürsten und Kesselfleisch zum Genusse einladet. Aber auch der strenggläubige Jude findet in der Bude eines Israeliten koscheren Wein und erlaubte Speisen.

Es fehlt an Schaubuden, an Bildern mit Mordscenen und Ähnlichem so wenig, als auf anderen großen Märkten des Landes.

Das Schönste auf den Heilbronner Viehmärkten bleibt immer die große Menge Viehes vom Neckarschlage, das im Schatten hundertjähriger Weidenbäume aufgestellt ist, und um welches nicht nur Metzger und Landleute der Umgegend, sondern auch viele Händler aus dem Hohenlohe’schen, aus den Rheingegenden u. s. w. feilschen.

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Heinrich Titot: Beschreibung des Oberamts Heilbronn. H. Lindemann, Stuttgart, Stuttgart 1865, Seite 064. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHeilbronn_064.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)