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dem Buttenträger auch manchmal heimlich ein Buzen (kurzer Pfahl mit Weinranken) in den Butten gesteckt, und singend und jolend tanzt der Treter im Tretzuber herum. Jubelgeschrei, wenn die Weinlese gut ausfällt, hallt von den Bergen und Knaben und Jünglinge schießen Pistolen und Böller ab. Zur Mittagszeit lagert sich die Lese um ein lustiges Feuer, Brod und Wein verzehrend.

Damit aber der Wein auf die süßen Trauben, die im Übermaaß genossen worden sind, nicht sauer schmecke, so muß ein scharfer Käse das Brod würzen.

Nach dem Essen wird weiter gelesen, bis die eingebrochene Dämmerung der Arbeit ein Ende macht. Aber jetzt eilt man noch nicht nach Hause, wie anderwärts, jetzt wird noch einmal gegessen und getrunken und gescherzt und gesungen, bis die aus Pfählen des Weinbergs geschnitzte Fackel hell auflodert, und die ganze Lese mit der Familie des Weinbergherrn singend und jubelnd nach Hause zieht.

Abends werden da und dort Feuerwerke in den Weinbergen abgebrannt, und die Gäste Nachmittags mit Kaffee, nachher mit Wein, Trauben und Braten bewirthet. Nicht leicht fehlt die Bratwurst, im Weinberge selbst gebraten, und mit einem Stück Brod aus der Hand verspeist.

Es macht einen sehr freundlichen Eindruck, wenn man an einem Weinleseabend die Tausende von fröhlichen Menschen jeden Standes und Alters beobachtet, wie sie in der frischen Herbstluft einen gesunden Appetit zeigen, welchen der gastfreundliche Wirth zu befriedigen sucht, wie überall gejubelt und gesungen, da und dort getanzt und gesprungen und gespielt wird, wie die Glöckchen der trabenden Mostkarrenpferde läuten, die Schießgewehre krachen und bei Nacht die Raketen brausen, die romanischen Lichter ihre Sterne ausstreuen, die Feuerräder brillante Funken sprühen und bengalische Flammen die Weinberge in den schönsten Farben erleuchten.

Vom Wartberge aus glaubt man die Wachtfeuer eines großen Feldlagers, und wenn bei eingebrochener Nacht hunderte von Fackeln von den Bergen herabsteigen und nach der Stadt wallen, den gestirnten Himmel unter sich zu erblicken.


d. Familienverhältnisse.

Majorate, Fideicommisse, Lehengüter kommen im Bezirke nur bei Adeligen vor. Die Bauerngüter gaben zwar Zehenden, Gülten, Landachten u. dergl., aber ihre Vererbung erfolgte nach dem

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Dr. Heinrich Titot: Beschreibung des Oberamts Heilbronn. H. Lindemann, Stuttgart, Stuttgart 1865, Seite 066. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHeilbronn_066.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)