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Eingriffe der Katholiken in ihre Kirche und in deren Einkünfte auf den Grund des westphälischen Friedens, nach welchem der Besitzstand im Jahr 1624 die Norm festsetzt. Zuerst richteten sie Vorstellungen und Bitten an die Deutschordens-Regierung in Mergentheim, insbesondere im Jahr 1722 als der evangelische Pfarrer Sicherer gestorben war und bei dessen Beerdigung die Katholiken so lärmten, daß dem würdigen Manne kaum eine Leichenpredigt gehalten werden konnte, und öffentlich frohlockten, daß sie nun die Oberhand in der Kirche erlangen werden.

Als die deutschordensche Regierung für die Evangelischen den Pfarrer Constantin Schmidt nach Biberach berief, der wegen ärgerlichen Lebenswandels von dem württembergischen Consistorium seines Amts in Württemberg entsetzt worden war, so baten die evangelischen Einwohner vergebens, ihnen einen würdigen Seelsorger zu geben; sie mußten 1754 nach langem Prozeß auch noch die Kosten bezahlen, und nicht selten wurden Bürger, die sich in Religionssachen nicht fügten, mit Geld und Gefängnißstrafe belegt. Dietrich Schumacher wurde in der Amtsstube zu Hornegg aber mit einer Hundspeitsche so gehauen, daß er am rechten Ohre taub wurde.

Diese und andere Beschwerden brachten die Evangelischen 1756 bei dem kaiserl. Kammergericht vor, der Prozeß dauerte 20 Jahre, bis unterm 22. Nov. 1776 ein Urtheil dahin erfolgte, daß es bei dem katholischen Religions-Exercitio in der Kirche zu Biberach, so wie solches bei Lebzeiten des Pfarrers Sicherer in derselben eingeführt worden, fernerhin zu belassen sei, dagegen sollten alle nach 1722 vorgegangenen Neuerungen wieder abbestellt werden; die Katholiken könnten sich jedoch eine besondere Kirche aus eigenen Mitteln erbauen, da die alte ohnedieß baufällig seie.

Nun entstand ein weiterer Prozeß über die Auslegung des ergangenen Urtheils, welcher, nachdem der Ort württembergisch geworden und das Reichskammergericht zu Wetzlar aufgelöst worden war, sein Ende noch nicht erreicht hatte, so daß die Akten dem königl. Oberappellations-Tribunal in Tübingen zur Entscheidung zugestellt werden mußten.

Die im Jahr 1627 erbaute Kirche drohte indessen den Einsturz und am Dankfest 1812 wurde die letzte Predigt darinnen gehalten. Jetzt entstand wieder ein Streit darüber, wer die Kosten zum Kirchenbau zu tragen habe. Das Oberamtsgericht Heilbronn erkannte 1824, daß das pium corpus in Biberach 6000 fl. dazu aufbringen müsse, das Übrige die Zehntherrn zu tragen hätten;

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Heinrich Titot: Beschreibung des Oberamts Heilbronn. H. Lindemann, Stuttgart, Stuttgart 1865, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHeilbronn_259.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)