Seite:OAHerrenberg 106.png

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Fuß = 1361 Par. Fuß. Als Oberamtsstadt ist sie der Sitz des Oberamtsgerichts- und des Gerichts-Notariats, des Oberamts und des Oberamts-Physicats, des evangelischen Decanatamtes, desgleichen eines Hof-Kameralamts, für die Besitzungen der K. Hofdomänenkammer, (In Beziehung auf Staatsgefälle gehört Herrenberg zum Cameralamt Reuthin und in forstlicher Beziehung zum Forstamt Wildberg.) Neben dem Oberamtsarzt und dem Oberamtswundarzt, der zugleich prakticirender Arzt ist, wohnen in der Stadt ein weiterer prakticirender Arzt und ein Thierarzt. Auch ist Herrenberg der Sitz eines Postamts.

Von der südwestlichen Ecke des bewaldeten Schönbuchs zieht sich ein schmaler, 1/2 Stunde langer Bergrücken (Schloßberg) in das weit gedehnte fruchtbare Flachland (Gäu), aus dem sich letzterer, steil abdachend, frei erhebt, nur an der Nordostseite mit dem Schönbuch zusammenhängend. Auf der äußersten Spitze des Bergrückens stand das Schloß Herrenberg und um seinen südwestlichen schmalen Abhang lagert sich, ein halbes Eirund bildend, die Oberamtsstadt, welche eine sehr unebene, meist gegen Westen und Norden abhängige, übrigens freundliche Lage hat. In Folge dieser Lage ist die Stadt dem freien Zutritt der Winde ausgesetzt und nur gegen die von Osten und Nordosten herkommenden durch den Schloßberg geschützt; die Luft ist gesund, daher auch die Stadt früher, in Zeiten der Pest, mehrmals als Zufluchtsort diente[1]. Durch den Schloßberg werden herannahende Gewitter entweder gegen Böblingen oder gegen Tübingen gewiesen, daher Herrenberg häufig „an der Wetterscheide“ genannt wurde. Wenn aber die Gewitter von Nordosten über den Schönbuch ihren Weg nehmen, dann entladen sie sich auf eine gefährliche Weise, nicht nur über die Stadtmarkung, sondern über den ganzen Distrikt zwischen dem Schönbuch und der im Westen des Bezirks hinziehenden Anhöhe; so ist z. B. in den letzten 10 bis 12 Jahren die Stadtmarkung dreimal vom Hagel betroffen worden. Wenn zur Zeit der Obstblüthe ein lauer Südwind weht, so erzeugt dieser gerne einen sogenannten Honig- oder Mehlthau.

Die Anlage der Stadt ist, wie ein Blick auf den der Oberamtskarte angefügten Plan zeigt, ziemlich unregelmäßig; die Ortsstraßen sind theils chaussirt, theils gepflastert, übrigens enge und


  1. Im Jahr 1542 für das Hofgericht zu Tübingen, als im Jahr 1551 die Pest in Stuttgart wüthete, zog Herzog Christof mit Hofstaat und Kanzlei nach Herrenberg, 1594 wurde wegen der Pest die Universität theils nach Calw, theils nach Herrenberg verlegt, 1610 war aus der gleichen Ursache die juridische und medicinische Facultät in Herrenberg, ebenso in den Jahren 1634–1635 sogar bis 1641.
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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Herrenberg. Eduard Hallberger, Stuttgart 1855, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHerrenberg_106.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)