Seite:OAHerrenberg 108.png

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verwischte sich ein bedeutender Zug in der Physiognomie des Orts, welcher früher das echte Gepräge einer wohlbefestigten, mittelalterlichen Stadt hatte. Indessen haben sich die Stadtmauern zum größeren Theil noch erhalten, während die an derselben angebracht gewesenen Thürme der modernen Verschönerung geopfert wurden.

Von öffentlichen städtischen Gebäuden sind zu nennen:

1) Die an der Ostseite der Stadt hoch am Schloßberg gelegene, münsterartig über die Stadt emporragende Pfarrkirche, zu der drei steinerne Treppen von verschiedenen Seiten führen. Mit Ausnahme einiger älteren Theile fällt ihre Erbauung in die unmittelbar auf die Erhebung der Pfarrkirche zur Stiftskirche 1439 folgenden Jahrzehenden; sie stammt somit aus zwei Bauperioden, der früh- und der spät-germanischen. Obgleich die letztere an dem im Allgemeinen sehr großartigen Kirchenbau vorherrscht, so haben sich doch aus der früh-germanischen Periode noch manche architektonische Schönheiten an denselben erhalten. An dem Langhause, wie an dem mit einem halben Achteck schließenden Chore befinden sich Strebepfeiler und hohe Spitzbogenfenster, deren Bogentheile mit zierlichem Maßwerk gefüllt sind, das übrigens häufig sogenannte Fischblasen enthält und hiemit den spät-germanischen Styl bekundet. Auf den Streben an der südlichen Seite des Langhauses erheben sich freie Spitzsäulen, welche Thierfiguren (Hunde, Löwen etc.) statt der Giebelblumen haben, während die Strebepfeiler des Chors nur mit einem einfachen, mit Krappen und Kreuzblumen geschmückten Giebel bekrönt sind; auf den Streben an der Nordseite des Langhauses erheben sich verschiedene, mit Kreuzblumen versehene Pyramidenthürmchen. Unter dem Kranzgesimse lauft ein Spitzbogenfries, der sich auch über die glatten Strebepfeiler fortsetzt. Der südliche Eingang in die Kirche bildet eine mit einem Netzgewölbe gedeckte Vorhalle aus spät-germanischer Periode, deren rundbogiger Eingang eine mit Krappen und großartiger Giebelblume gezierte Wimberge übersetzt. Der Zwickel derselben enthält in Relief einen Christuskopf und zu beiden Seiten des geschweiften Spitzbogens sind die Wappen des Herzogthums Württemberg und der Stadt Herrenberg angebracht. Rechts und links der Wimberge erheben sich Fialen, welche von Säulen mit Laubwerkkapitälen unterstützt werden. Der eigentliche Kircheneingang innerhalb der Vorhalle (Taufkapelle) bildet einen Spitzbogen mit Kleeblattfüllung auf schlanken, mit blumenkelchförmigen Kapitälen versehenen Dreiviertelssäulchen. Das nördliche Seitenportal, eine sogenannte Brautthüre, enthält über dem geradlinigen Thürsturz einen mit reichem Blendmaßwerk gefüllten Spitzbogen; die beiden, das Portal einschließenden

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Herrenberg. Eduard Hallberger, Stuttgart 1855, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHerrenberg_108.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)