Seite:OAHerrenberg 111.png

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dreiseitig schließende Sacristei, in deren Nebengemach ein ausgezeichnet schöner, im germanischen Geschmack geschnittener Schrank aufbewahrt wird.

Der im Jahr 1699 im Rococcogeschmack ausgeführte Altartisch steht in dem um 7 Stufen höher gelegten Raum vor dem Chorbogen, der ehemals durch einen Lettner überbaut war[1]; von ihm gelangt man durch einen spitzen Triumphbogen in den Chor, der mit zwei Kappengewölben gedeckt ist, dessen Schlußsteine in der Richtung von Westen nach Osten folgende Bildwerke enthalten: 1) eine Taube (der heil. Geist), 2) Ecce homo und 3) Agnus Dei. In dem Chor stehen 23 aus Eichenholz geschnittene, mit reichen Ornamenten gekrönte Chorstühle, welche mit einer Menge in Flachrelief geschnittenen Bildern, Scenen aus der biblischen Geschichte und der christlichen Legende, verschiedene Heilige, die vier Evangelisten, Kirchenväter etc. vorstellend, geziert sind. An diesem kunstreichen Gestühlwerk, das ebenfalls im Jahr 1817 weiß und grau getüncht wurde, steht folgende Inschrift: „Im Jar Cri. 1517 an der 10.000 Rittertag [22. Juni] ward dis Werck usgemacht durch Hinrich Schickard von Sigen Burger zur Herrenberg.“[2]

Der um drei Stufen höher gelegte Chorschluß bewahrt die Reste eines erst in neuerer Zeit wieder hergestellten Hochaltars, von dem sich noch vier mit guten Gemälden versehene Deckel und die Staffel erhalten haben. Die Vorderseite der zu einer Haupttafel vereinigten zwei Deckel zeigt einerseits die Dornenkrönung und Geiselung, anderseits die Kreuzschleppung und Kreuzigung Christi, die Rückseite die Vermählung der Maria und die Beschneidung des Jesuskindes. Die Innenseiten der beiden Thürflügel enthalten das Abendmahl und die Auferstehung, während auf den Außenseiten derselben der Abschied und das Ausgehen der Apostel in die Welt dargestellt ist. Auf der in drei Felder getheilten Staffel sieht man in der Mitte das Tuch der heil. Veronica (Schweißtuch) mit dem Bilde des Herrn und auf jeder Seite einen Engel, der das Rauchfaß schwingt[3]. Ferner hängt in dem Chor eine Tafel, welche


  1. Dieser Lettner wurde durch Stiftung des Ulrich Mezler im Jahr 1458 erbaut und in den Jahren 1739 und 1747 abgebrochen (Heß, Chronik v. H.).
  2. Heinrich Schickard von Nassau-Sigen war der Großvater des berühmten Baumeisters Heinrich Schickard (s. unten).
  3. An dem Altarwerk steht 1519 – R, was ohne Zweifel das Jahr der Verfertigung desselben und den Anfangsbuchstaben des Meisters bezeichnet. In einem Manuscript von Schickard wird angeführt, daß Brenner diese Altartafeln gestiftet habe (Heß, Chr. von H. Th. II. S. 1583).
Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Herrenberg. Eduard Hallberger, Stuttgart 1855, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHerrenberg_111.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)