Seite:OAHerrenberg 215.png

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Strebepfeilern und germanisch gefüllten Spitzbogenfenstern bis jetzt unverändert erhalten. Der viereckige Thurm, welcher früher zur Vertheidigung diente, und älter als die gegenwärtige Kirche ist, besteht aus zwei hohen, aus Stein erbauten Stockwerken, denen in neuerer Zeit ein drittes hölzernes aufgesetzt wurde, das ein hohes achteckiges Zeltdach trägt. Von den zwei auf denselben hängenden Glocken trägt eine die Namen der vier Evangelisten und die Jahreszahl 1453, die andere wurde 1826 gegossen. Im untern Stockwerke des Thurmes befindet sich die Sacristei mit einem Kreuzgewölbe, auf dessen Schlußstein das württemb. Wappen angebracht ist. Das Innere der Kirche ist hell, geräumig, flach getäfelt und mit schlecht bemalten Emporen versehen; außer einem sehr alten Taufsteine und einigen im germanischen Geschmack einfach geschnittenen Chorstühlen enthält sie nichts Bemerkenswerthes. Das Chor ist mit einem schön construirten Netzgewölbe gedeckt, dessen stark hervorstehende Gurten von Consolen ausgehen, welche menschliche Köpfe, Engel u. s. w. darstellen. Auf den Gewölbeschlußsteinen sind in der Richtung von Westen nach Osten folgende Figuren angebracht: 1) eine durchbrochene Rosette, 2) Mathäus, 3) Marcus, 4) Lucas, 5) Johannes, 6) ein Engel mit den Marterwerkzeugen und 7) die Mutter Gottes. Die Kirche gehört der Stiftungspflege, welche sie auch im Bau zu unterhalten hat.

Das freundliche, getünchte, gut erhaltene Pfarrhaus, welches 1748 erbaut wurde, steht an der Hauptstraße unfern der Kirche und bildet mit seinen Öconomiegebäuden, Hofraum, Garten etc. einen schön geschlossenen Pfarrsitz; es ist von der K. Hofdomänenkammer im Bau zu erhalten.

Ein ansehnliches, gut erhaltenes Schulhaus enthält neben der Volksschule die Wohnungen der Lehrer; ganz in der Nähe desselben steht das alte, aus solidem Eichengebälke erbaute Rathhaus; in der Rathsstube unterstützt eine schön gearbeitete Eichenholzsäule mit zierlich geschnitztem Kapitäl und der Jahreszahl 1550 die getäfelte Decke. In dem untern Stockwerk wurde im Jahre 1848 ein Gemeindebackhaus und eine Kleinkinderschule eingerichtet; eine sehr besuchte Industrieschule besteht seit 10 Jahren. Beide verdanken ihre Entstehung dem früheren Pfarrer Freihofer. Die Zehentscheuer hat die Gemeinde im Jahre 1850 von der K. Hofdomänenkammer um 250 fl. erkauft; die in der Nähe des Rathhauses stehende Kelter[1] wurde in neuerer Zeit in ein Schafhaus umgewandelt.


  1. Kayh hatte früher vier Keltern, von denen zwei der Kellerei, die andere dem Kloster Bebenhausen gehörten (s. Landbuch von 1624 S. 88 b).
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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Herrenberg. Eduard Hallberger, Stuttgart 1855, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHerrenberg_215.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)