Seite:OAHerrenberg 244.png

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Durch den Ort fließt der Dorfgraben, der bei starken Regengüssen oder während des Schneeabgangs öfters so sehr anläuft, daß er nicht nur den Wiesen sondern auch dem Ort selbst gefährlich wird; in denselben geben unweit des Orts der Seegraben, welcher früher zu einem See geschwellt wurde, und der Hungergraben, der in einer periodisch fließenden Quelle (Hungerbrunnen) 1/4 Stunde nordwestlich vom Ort beginnt. Auf den Fall von Feuersgefahr sind zwei Wetten angelegt.

An der Südseite des Orts steht die Pfarrkirche mit dem ummauerten Begräbnißplatz, der 1833 aufgegeben wurde und statt dessen nun außerhalb des Orts am Weg nach Rohrau ein neuer angelegt ist. Das Langhaus der Kirche ist durch stylwidrige Veränderung entstellt, und nur der spitzbogige, schön gehaltene Eingang an der Westseite, über dem ein Engel das Schweißtuch haltend angebracht, hat sich von der früheren germanischen Bauweise derselben noch erhalten; dagegen blieb der aus dem 14. Jahrhundert stammende, im Achteck schließende Chor mit seinen Strebepfeilern und schmalen, germanisch gefüllten Fenstern unverändert. Der viereckige Thurm hat vier Stockwerke, die untern sind massiv, und haben romanische gedoppelte Rundbogenfenster, zwischen denen sich zum Theil schön verzierte Säulen befinden[1], das oberste, ein einfaches Zeltdach tragende Stockwerk wurde erst in neuerer Zeit aus Holz aufgebaut. Der ursprüngliche rundbogige Eingang in den Thurm befindet sich 10 Fuß über der Erdfläche.

Das Innere der Kirche ist ziemlich hell und weiß getüncht; der viereckige Altar hat auf den Ecken einfache germanische Verzierungen und an einer derselben zwei leere Wappenschilde. An die nördliche Seite des Langhauses lehnt sich eine Seitenkapelle mit einem Netzgewölbe, dessen Schlußstein den gemarterten Christus darstellt. Vom Schiff führt ein rundbogiger Triumphbogen in den mit künstlich construirtem doppelten Kreuzgewölbe gedeckten Chor, – dessen zwei Schlußsteine eine durchbrochene Rosette und Agnus Dei vorstellen; an das Chor schließt sich die Sacristei an, welche ein Rest der früheren schmalen Basilika zu sein scheint und den Schluß derselben bildete. Das einfache Kreuzgewölbe hat auf dem Schlußstein ein roh gearbeitetes Agnus Dei, welches das Gepräge hohen Alterthums trägt. Überdieß zeigt die Sacristei neben später eingebrochenen Thüren und Fenstern noch entschiedene Spuren romanischen Baustyls, wie zwei rundbogige Nischen, ein


  1. Abbildung des Fensters auf der Nordseite in der halben Höhe des Thurms bei Heideloff, die Kunst des Mittelalters in Schwaben, Lief. 1. S. 8.
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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Herrenberg. Eduard Hallberger, Stuttgart 1855, Seite 244. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHerrenberg_244.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)