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eingerichtet sind, steht eine neue große Wollhalle, welche die Stadt mit einem Kostenaufwand von etwa 25.000 fl. jüngst erbaut hat.

Den Wilhelmshospital, das Armenhaus und die Paulinenpflege s. hienach.

Von Privatgebäuden verdienen noch bemerkt zu werden:

a. Der sogenannte Bau auf dem Walle, an dem östlichen Ende der Stadt. Er soll den Herzogen von Teck zur Residenz gedient haben; sie kauften denselben im Jahr 1360 von Kuno, dem Truchseßen von Stöffeln, verkauften ihn aber 1379 an den Ritter Hans von Lichtenstein. Später kam er an die v. Wernau, die ihn 1588 an Heinrich Späth von Thumnau verkauften, von welchem er an die württ. Rentkammer kam, die ihn als Obervogteiwohnung benützte. Im Jahr 1609 verkaufte sie ihn an den Obervogt Sebastian Welling von Fähingen; damals ruhte auf demselben das althergebrachte Vorrecht, daß der Besitzer ein gewisses Strafrecht über das Gesinde üben, und daß Verbrecher in diesem „gefreiten Haus“ durch die Beamten nicht angegriffen werden durften. Im Jahr 1653 erwarb ihn Konrad Widerhold, welcher ihn 12 Jahre später durch sein Testament seinem Landesherrn schenkte;[1] 1681 ward er an die Stadt verkauft, 1690 brannte er ab, und von da kam das neue Gebäude in verschiedene Hände, bis es 1806 an den jetzigen Besitzer, Hofrath Mutschler, gelangte. Bis dahin hatte es seine alte Steuerfreiheit behauptet.

b. Das sogenannte Stiftshaus war der Sitz der Reuß. Pfaff Johannes, genannt der Rüße von Lothenberg, verkauft 1343 sein „Geseß zu K. an der Luter gelegen, an Hus, Hof, Garten etc.“ und vielen Gütern, an den Altar des h. Kreuzes in St. Martinskirche; 1511 erbaute das Kl. Adelberg auf der Hofstätte ein Haus, das sofort in verschiedene Hände kam. Nach dem Brande im Jahr 1690 wurde es wieder aufgebaut, und 1707 an die v. Münchingensche Familie als „ein adelicher Freisitz“ verkauft, von wo an es unverehelichten Töchtern der Familien v. Remchingen, v. Münchingen, v. Reyschach und v. Grünewald zum Aufenthalte diente. – Bis in die jüngste Zeit hatten diese einen freien Sitz in dem Hause; 1836 aber verkaufte es die „Münching’sche Stiftungsverwaltung“ an einen Bürger. Auch dieses Gebäude war ganz steuerfrei.

  1. Frau Widerhold, eine sehr ehrenveste, gestrenge Frau, soll, der Tradition nach, von diesem „Bau“ aus, wenn sie die Mägde erst nach 5 Uhr Morgens auf den Acker gehen sah, dieselben gar weidlich über ihre Trägheit gescholten haben. Über sie und ihren Eheherrn finden sich höchst originelle Daten und genaue Personalnotizen in dem vorgenannten Gedenkschriftchen auf die Erneuerung des Widerholdschen Grabmals.
Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Kirchheim. Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1842, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAKirchheim_120.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)