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das Schloß zum Wittwensitze und bezog es sogleich; darauf kaufte im Jahr 1609 ihr Sohn Herzog Johann Friedrich für sie von der Stadt und etlichen Bürgern den Stadtgraben am Schloß und einige Gärten und machte daraus einen Lustgarten. Diese Herzogin Wittwe starb bereits am 16. November 1614 eben im hiesigen Schlosse.[1] Nach dem westphälischen Frieden wurde letzteres der Wittwe des Herzogs Administrators Julius Friedrich, Anna Sabina, Prinzessin von Holstein-Sonderburg, zum Wittwensitz angewiesen, auf dem sie bis zu ihrem Lebensende, den 18. Juli 1659, wohnte.

In den Zeiten des 30jährigen Kriegs, den 13. März 1635, kam in demselben Schlosse der Übergabs-Accord der belagerten Reichsstadt Augsburg zwischen dem kaiserlichen (General-Lieutenant Grafen Gallas etc.) und dem bayerischen Bevollmächtigten einer - und den Deputirten der Stadt Augsburg und der schwedischen Commandantschaft anderer Seits zu Stande. Dieser sogenannte Leonbergische Accord war für Augsburg die Quelle unzähliger Leiden und Bedrückungen.

In der württembergischen Verfassungsgeschichte ist Leonberg bekannt durch den Landtag, welcher hier Ende 1457 aus Veranlassung des württembergischen Vormundschaftsstreits zwischen Graf Ulrich dem Vielgeliebten und dem Pfalzgrafen Friedrich gehalten wurde; dieser Landtag gilt als das erste sichere Lebenszeichen von einer Landstandschaft der Städte in Württemberg. S. Reyscher’s Sammlung I., 90, vergl. Memminger’s Beschreibung von Württemberg 1841. S. 64.

Bei dem Wanderleben der deutschen Kaiser des Mittelalters diente Leonberg auch einigen deutschen Kaisern, wie dem K. Karl IV. den 9. December 1347 (Urk. K. Karls IV. für Kl. Königsbronn, Orig. in Carlsruhe) und dem K. Friedrich III. den 26. Juni 1473 zu vorübergehendem Aufenthalte.

Am 28. October 1498 traf die Stadt ein großes Brandunglück; 46 Häuser sanken in Asche.

Die hiesige Kirche war ursprünglich eine Kapelle, Filial der Kirche von Dulcheshausen (s. u.). Mit dieser gelangte sie an das Stift Sindelfingen (welchem Graf Ulrich von Württemberg den 1. Juni 1331 und Graf Eberhard wiederholt den 5. Juni 1471 die hiesige Kirche freiten) und mit genanntem Stifte im Jahr 1477 an die Universität Tübingen


  1. Von ihr rührten die zwei großen Dockenkästen mit den schön angekleideten lebensgroßen Puppen her, welche erst im Jahr 1828 durch neuere Baueinrichtungen, die in dem Schlosse vorgenommen wurden, weggeräumt worden sind. Sie wurden vor Zeiten oftmals erwähnt, zum Theil deßhalb, weil muthwillige Leute an dieselben die Namen alter Jungfrauen anschrieben.
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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Leonberg. J. B. Müller’s Verlagshandlung, Stuttgart 1852, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OALeonberg_102.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)