Seite:OALeonberg 148.png

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Dieses sogenannte Steinhaus ist massiv aus buntem Sandstein, im spät romanischen Styl des 13. Jahrhunderts erbaut, über 100′ hoch und besteht aus 5 Stockwerken; ein weiteres wurde schon 1715 abgetragen, bei welcher Veranlassung dem Gebäude ein mit seinen übrigen Bestandtheilen nicht übereinstimmendes neues Walmdach aufgesetzt wurde. Auf den ersten Anblick erscheint das Gebäude massig und schmucklos, bei näherer Betrachtung aber findet man sowohl an seinem Äußern, als besonders in seinem Innern einen Reichthum von architektonischen Schönheiten. An dem rundbogigen, im Verhältniß zu dem kolossalen Bauwerke ziemlich kleinen Eingange sind zu beiden Seiten Wappen angebracht, Außerhalb des Eingangs sieht man noch die Fälze, in welchen die Fallthüre auf- und abgezogen werden konnte. Die meist gekuppelten Fenster sind theils geradlinig, theils rundbogig, theils gedrückt spitzbogig; jedoch ist nur einzelnen ihre ursprüngliche edle Form geblieben, da bei der Einrichtung des Schlosses zu einem Fruchtkasten die Fenster entweder ganz oder doch theilweise zugemauert wurden. Besonders schön und noch gut erhalten ist das an der südöstlichen Ecke des vierten Stockwerks angebrachte Fenster, welches in einem spitzen Winkel erkerartig an der Wand heraustritt und auf einer Console, welche einen Fratzenkopf vorstellt, aufruht. Zwischen dem vierten und fünften Stockwerke lauft ein Rundbogenfries, an dem noch Reste früherer Bemalung sichtbar sind. Im Innern ist das Gebäude vielfach verändert; die Böden und besonders die Decken sind zum größten Theil ausgerissen und andere für den gegenwärtigen Zweck eingesetzt worden, demungeachtet hat sich noch Manches erhalten, was auf die frühere prachtvolle Ausstattung des Gebäudes schließen läßt; namentlich im zweiten Stockwerk, das aus einem großen, zum Theil mit Estrich belegten Saal besteht, an dessen westlicher Wand ein, im romanischen Styl gehaltener, mit Wappenschilden und Fratzengesichtern verzierter Kaminschoos[1] angebracht ist. Von diesem Raum führt eine sehr geschmackvolle, rundbogige, in dem Bogentheile kleeblattartig durchbrochene, steinerne Thüre zu einem kleinen Zimmer. An den Seitenstäben dieser Thüre sind Löwenköpfe als Consolen angebracht, die in den weit ausgesperrten Rachen je zwei Wappenschilde halten. In dem Zimmer selbst befinden sich Tragsteine, auf denen Fratzengesichter, Thierfiguren etc. ausgehauen sind; ein schönes Fenster an der Ostseite wird durch eine romanische Säule in zwei Abtheilungen getrennt. An diesen Gelaß schließt sich ein dritter


  1. Ähnliche Kamine befinden sich in den alten Thürmen zu Besigheim, in dem Thurm zu Liebenstein und in der Ruine des ehemaligen Schlosses Neipperg.
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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Leonberg. J. B. Müller’s Verlagshandlung, Stuttgart 1852, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OALeonberg_148.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)