Seite:OALudwigsburg0035.jpg

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Seiten für die Zuschauer Gerüste errichtet sind, die den Raum begrenzen, innerhalb dessen der Wettlauf der Schäferjugend stattfindet. Am untern Ende der 300 Schritte langen Rennbahn stellen sich die baarfüßigen Springer auf, die, zuerst die Jünglinge, auf ein gegebenes Zeichen über das Stoppelfeld der Tribüne zuspringen, um dort ihre Kampfpreise zu erhalten. Der Schäferbursche und das Schäfermädchen, welche zuerst das Ziel erreichten, erhalten nun den ersten Preis, einen mit Bändern und Blumen geschmückten Hammel, und werden zugleich mit Kronen geschmückt; den übrigen Springern werden minder bedeutende Preise, in allerlei Kleidungsstücken etc. bestehend, ausgetheilt. Das gekrönte Siegerpaar eröffnet nun den Reigen vor der Festtribune, dem sich bald die andern Springer anschließen. Hierauf wirft der berittene Zahlmeister Nestel unter das Volk aus, was große Belustigung hervorruft und womit die Festlichkeit im Freien endet. Die errungenen Nestel werden als Festschmuck getragen und viele der anwesenden Fremden schmücken sich ebenfalls mit diesem altherkömmlichen Schäferzeichen, das zu vielen Hunderten auf dem an diesem Tage abgehaltenen Jahrmarkte gekauft wird. Kaum ist das Mittagsmahl vorüber, so rauscht schon die Tanzmusik und die Schalmei in allen Gasthäusern, und Tanz und Jubel dauern bis zum andern Morgen. Auf dem Rathhause aber wird von den Beamten und Fremden höherer Stände gespeist und später ein Ball gehalten.

Mit diesem altherkömmlichen Schäferfeste ist in neuerer Zeit das landwirthschaftliche Particularfest vereinigt worden, so zwar, daß auf dem Festplatz von dem Oberamtmann nicht nur Preise für die schönsten Viehstücke an die betreffenden Landwirthe, sondern auch Preise an treue Dienstboten ertheilt werden. Den Tag vor dem Feste wird ein viel besuchter Schaf- und Viehmarkt, an dem Festtag selbst aber ein Vieh- und Krämermarkt abgehalten.

Der früher in Beihingen übliche Fechttag ist im Jahr 1808 vollends abgegangen (s. Ortsbesch. v. Beihingen).

Die altübliche Tracht der Dorfbewohner weicht allmälig, jedoch langsam, der städtischen Mode; einzelne, namentlich wohlhabende Bauernorte, wie Kornwestheim, Möglingen, Pflugfelden, Stammheim und Thamm, sind der solideren Tracht ihrer Väter treu geblieben; hier trifft man noch allgemein den Dreispitzhut, den blauen oder grauen Tuchrock, den Sommer über nicht selten den sog. Zwilchkittel, das mit Rollknöpfen besetzte Brusttuch entweder von scharlachrothem Tuch oder von dunklem (schwarz und braun) Manchester, gelbe und schwarze

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Ludwigsburg. Karl Aue, Stuttgart 1859, Seite 035. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OALudwigsburg0035.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)