Seite:OALudwigsburg0200.jpg

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im städtischen Styl erbaut sind. Mit wenigen Ausnahmen stammen die Gebäude aus den letzten 2 Jahrhunderten, indem die Kaiserlichen im Jahr 1634 das halbe Dorf – und die Franzosen im J. 1693 42 Häuser abbrannten. Die Lage des Orts ist in dem mäßig breiten, wiesenreichen Enzthal eine äußerst freundliche; nördlich am Dorf fließt die mit Weiden und Pappeln etc. besäumte Enz vorüber, welche hier in der Nähe des Wehrs eine Breite von 350′ erhält und an deren jenseitigem Ufer sich eine steile, mit Reben bepflanzte Terrasse amphitheatralisch erhebt, während im Rücken (südlich) des Dorfs, das Terrain flach ist und die Ersteigung der Hochfläche auf eine leichte Weise gestattet. Übrigens ist der nahe Fluß dem unteren Dorftheil gefährlich, indem derselbe zuweilen austritt und die Gebäude theilweise unter Wasser setzt, wie denn im Jahr 1824 eine Kelter und 2 Häuser von den Hochfluthen weggerissen wurden; in diesem Jahr drang das Wasser bis in das untere Stockwerk des Rathhauses und im Jahr 1851 hat es sich bis zu dem hohen, über einer steinernen Treppe angebrachten Eingang in dasselbe gehoben. In Folge der Ausdünstung des Flusses entstehen nicht selten kalte Nebel, die den Obstbäumen nachtheilig sind, daher auch die Obstzucht nicht in der Ausdehnung gepflegt wird, wie in den höher gelegenen Orten des Bezirks; übrigens ist das Klima im Allgemeinen gesund und erlaubt noch den Anbau aller in milden Gegenden vorkommenden feineren Gewächse. Hagelschlag gehört zu den Seltenheiten. 1

Am westlichen Ende des Orts steht die massiv erbaute, ansehnliche Pfarrkirche zum heil. Kilian, welche sich seltener Weise noch in ihrer reinen spät germanischen Bauweise erhalten hat und an der bis jetzt keine stylwidrige Veränderungen vorgenommen wurden. Langhaus und der vierseitig schließende Chor sind mit spitzbogigen germanisch-gefüllten Fenstern, und letzterer überdieß mit Strebepfeilern versehen. An der Westseite des Langhauses steht der viereckige, aus 5 Stockwerken bestehende Thurm, dessen oberstes, aus Holz erbautes Stockwerk in neuerer Zeit aufgesetzt und mit einem schönen, schlanken Zeltdach versehen wurde. Dagegen sind die unteren, aus 5–6′ dicken Mauern bestehenden Theile des Thurms älter als die Kirche und namentlich erinnern die im zweiten Stockwerk angebrachten, schmalen, gedrückten Spitzbogenfenster lebhaft an die Übergangsperiode von dem romanischen in den germanischen Baustyl. Das unterste Stockwerk enthält einen Durchgang, von dem ein spitzer Eingang in das Langhaus führt; über demselben steht die Jahreszahl 1517, welche übrigens nicht die Zeit der Erbauung des

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Ludwigsburg. Karl Aue, Stuttgart 1859, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OALudwigsburg0200.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)