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Beschwerlicher noch mögen die Leibeigenschaftsgefälle in ältern Zeiten gewesen seyn: die Ehestetter z. B. und andere beklagen sich i. J. 1663 bitter bey dem Würt. Lehenshofe, daß ihnen ihre Grundherrn zumuthen für sie zu spinnen, daß sie ihnen ihre Söhne und Töchter zu jeder beliebigen Arbeit wegnehmen etc. Übrigens findet man in der Regel die Leibeigenschafts- und Falllehenverhältnisse durch Herkommen, Lagerbücher und Briefe bestimmt. Schon in der oben angeführten Urkunde [1] des Grafen Chadaloch vom Jahr 817, worin derselbe dem Kloster St. Gallen Güter zu Erbstetten, Ober- und Unterwilzingen etc. schenkt, sind die Dienste, welche die Leibeigenen zu leisten haben, genau ausgedrückt, und es ist ausdrücklich bemerkt, daß sie kein Chuvilti Werch zu leisten haben,[2] wie es den Ehestettern zugemuthet worden zu seyn scheint. In Laichingen, wo der Abt von Blaubeuren Leib- und Grundherr war, galt es, nach der oben angeführten Urkunde vom Jahr 1373, für eine ausgemachte Sache, daß „wo ainer sitzt uff ainer Hub, die des Abbts ist, da der Mann und das Weib genößit ist – stirbt der Mann, so soll man dem Abbt geben sin Hobtrecht und den Val, und soll der Abbt die Hub lihen sinen Erben, und süllen im die geben 5 Schilling heller; welt er es aber nit lihen, so süllend sy im Legen 5 Sch. Heller uff den Tisch für in und sollen die Hub dannoch han.“

Die Allodification oder Eigenmachung der Falllehen hat sich bisher blos auf die Kronorte – Bezirk Zwiefalten – beschränkt, in den grundherrlichen Orten ist noch gar keine vorgekommen; in jenen hingegen haben sie einen so guten Fortgang, daß in wenigen Jahren Alles allodificirt seyn wird. Die Maßregel findet hier um so mehr Eingang, als für die


  1. Neugart Cod. Diplom. I. Nr. 193. p. 165.
  2. Chuvilti Werch oder, wie es sonst auch heißt, Kuviliti Werch, bedeutet Sclavenwerk, gekaufter Leute Werk, welche weder Land noch einen bestimmten Sitz haben.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Daniel Georg von Memminger: Beschreibung des Oberamts Münsingen. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1825, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAM%C3%BCnsingen093.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)