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Mundelsheim wird in guten Weinjahren am Schlusse des Herbstes ein „Weingärtnersball“ abgehalten. Der Volksgesang findet in der Bevölkerung eher Widerstand als Förderung. Das Hauptvergnügen der männlichen Jugend ist das Knallen mit Peitsche und Pistol. Beim Wandern der Knechte am Pfeffertag wird (in Klein-Aspach) anhaltend mit Peitschen geknallt. Beim Wandern der Mägde am Lichtmeßtag wird ohrbetäubende Musik mit Scheuerthoren und leeren Fässern gemacht. Bei Hochzeiten und Taufen – wenigstens bei der Taufe eines erstgebornen Buben – auch in der Neujahrsnacht, muß geschossen werden. In Mundelsheim wird jedes Jahr der Beginn der Weinlese Nachts 12 Uhr auf den Höhen der Berge „angeschossen“. In Großbottwar begnügt sich der „gspärsame“ Sinn der Bursche in der Neujahrsnacht wohl auch anstatt des Schießens mit bloßen Knüttelschlägen an’s Hofthor, womit die Gefeierten sich dann auch zufrieden geben.

Tauf- und Leichenschmäuße kommen selten vor. Nur in Pfarrorten mit Filialien werden Leichenschmäuße in den Wirthshäusern gehalten. Bei den Taufen gehen nur die Pathen – meist nur Ehepaare – und die Hebamme samt dem Vater in die Kirche, das Kind wird von einem verwandten Mädchen unter 14 Jahren in die Kirche getragen. In Murr gehen auch noch mehrere weibliche Angehörige mit. Nachher gibt’s Kaffee und Käs zu Most und Wein. Kaffee und Kuchen wird in Murr auch reichlich an Bekannte und Nachbarn ausgesandt.

„Zechhochzeiten“ gehören zu den Seltenheiten. Allermeist werden die Hochzeiten im Privathause gefeiert. Die Kinder gehen – nicht einmal mit Kranz oder Strauß überall – voran zur Kirche, dann kommen die Ledigen, sofort die Braut und der Bräutigam mit den „Kirchführern und Führerinnen“, geschmückt mit Sträußen und Kränzen stets aus gemachten Blumen. Bis vor kurzem trug die Braut in Mundelsheim noch eine Krone von Gold und Silberflitter. Jetzt ist der städtische Myrtenkranz Sitte geworden und die Unsitte der „Hochzeitsträuße“ bereits eingenistet. Im übrigen Bezirk ahnt man noch nichts von solchem Luxus.

Die Leichen werden ganz einfach gehalten. Eine Viertelstunde vor der Beerdigung erscheint Schulmeister und Schuljugend am Trauerhause, jedes Kind erhält ein Brod und ein Glas Most, dann wird gesungen vom Haus bis zum Kirchhof ein und ein anderes geistliches Lied. Der Schulmeister hält die „Abdankung“; sofort geht’s zur Predigt in die Kirche. In der „Klage“ gehen – bei Männern

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Marbach. H. Lindemann, Stuttgart 1866, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMarbach0051.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)