Seite:OAMarbach0123.jpg

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ist die Stadt hinreichend versehen und eigentlicher Wassermangel tritt auch in ganz trockenen Jahrgängen nicht ein. Vor dem Rathhaus steht der vierröhrige Marktbrunnen, dessen einfache Brunnensäule die Jahrszahl 1810 trägt. In der Nikolausthorgasse, an der Stelle, wo sich diese zu einem kleinen Platz erweitert, befindet sich ein dreiröhriger Brunnen mit dem sog. wilden Mann[1], der einen Schild mit dem Stadtwappen hält, auf der Brunnensäule. Zwei kleine Weiher liegen außerhalb der Stadtmauer. Die Markung selbst ist sehr quellenreich, es entspringen auf ihr der Aichgraben, der Strenzelbach, der Dreibrunnen, der Neunbrunnen, eine starke Quelle in den Milzenweinbergen und einige minder bedeutende Quellen. Überdieß drängt sich der Neckar in einem großartigen, wohlgerundeten Bogen ganz in die Nähe der Stadt; er ist oberhalb der Stadt theils zur Erleichterung der Schifffahrt und der Flößerei, theils wegen des stärkeren Betriebs der an der Stadtseite angelegten Mühl- und Fabrikwerke, durch Wehre gedämmt, um die Hauptströmung des Wassers in den zu diesem Zweck angelegten Kanal zu leiten, woselbst auch eine Kammerschleuse im Jahr 1832/33 auf Kosten des Staats erbaut wurde. Zunächst unter der Stadt vereinigt sich der Kanal wieder mit dem Hauptfluß, nachdem er vorher einen Arm in denselben geschickt hat; hiedurch entstanden zwei freundliche mit Weiden bepflanzte Inseln, das obere und das untere Wehr genannt. Der Neckarkanal treibt eine großartige Getreidemühle mit 6 Mahlgängen, einem Gerbgang und einem Koppgang; eine schwunghaft betriebene Krappfabrik ist seit 15 Jahren abgegangen und beschränkt sich jetzt auf eine Farbmühle und eine Sägerei. Eine Feinsägerei und Ölmühle sind in Folge eines Brandes auf ein Drittheil des Betriebs herabgekommen. Unterhalb der Stadt liegt nahe am Einfluß der Murr in den Neckar eine im Jahr 1862 neu erbaute Mühle mit 3 Mahlgängen, einem Gerbgang und einer Säge. 1

Der Neckar hat oberhalb des Wehrs, ehe ein Arm von ihm abgeht, eine Breite von etwa 375′ und seine bedeutendste Tiefe beträgt 8–10′; bei starken Regengüssen und raschem Schneeabgang


  1. Nach der Volkssage bestand an der Stelle Marbachs ein großer dichter Wald, in welchem ein Riese hauste, der jeden Vorübergehenden ergriffen, in seinen mit Weinreben umrankten Thurm geschleift und dort lebendig verzehrt haben soll; aus den Hirnschalen der von ihm aufgezehrten Opfer, soll er stets viel Wein, den er selbst pflanzte, getrunken haben, worauf sich auch die abgeschmackte Herleitung des Namens der Stadt von Mars und Bacchus gründet.
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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Marbach. H. Lindemann, Stuttgart 1866, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMarbach0123.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)