Seite:OAMarbach0157.jpg

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1. Die 500 Schritte außerhalb (nördlich) der Stadt gelegene St. Annakirche, jetzt Pfarrkirche; sie ist ursprünglich im gothischen Styl erbaut, der jedoch am Langhaus mehrfältig verändert wurde, während sich der mit einem halben Achteck schließende, mit Strebepfeilern versehene Chor noch ziemlich unverdorben erhalten hat und in den spitzen Bogentheilen der Fenster noch spätgothisches Maßwerk zeigt. Auf dem westlichen Giebel sitzt ein kleines Thürmchen (Dachreiter) ohne Glocken und Uhr. Das Innere der Kirche hat nichts Bemerkenswerthes. An die Nordseite der Kirche grenzt der ziemlich große, ummauerte Begräbnißplatz.

2. Die St. Magdalena-Kirche, auch Schloßkirche genannt, welche früher zu Wochengottesdiensten gebraucht wurde, seit dem Jahr 1803 aber kirchlichen Zwecken nicht mehr dient, indem damals die Kirchenstühle herausgenommen, und gefangene, von einer ansteckenden Krankheit heimgesuchte Soldaten in ihr untergebracht wurden; seit dieser Zeit ist sie dem Muthwillen und dem Zerfall Preis gegeben; durch die offenen Fenster bläst der Sturm und schlägt der Regen in die altehrwürdige Kirche, diese täglich mehr dem Untergang entgegen führend. Die Kirche enthält frühgothische Fenster, aus denen theilweise das Maßwerk herausgeschlagen ist; an der Nordseite des Langhauses befindet sich neben gothischen Fenstern, noch ein kleines aus der Übergangsporiode. Der Chor ist abgebrochen und der ehemalige spitzbogige Chorbogen jetzt zugemauert. An der Westseite steht ein monströser, niedriger Thurm, nur mit dem vierseitigen Zeltdach über den First der Kirche emporragend; er enthält Schießscharten und später eingebrochene Lichtöffnungen. Im untern Geschoß des Thurms befindet sich ein spitzbogiger Durchgang, an dessen westlicher Innenseite noch Reste sehr alter Wandmalereien, den von Pfeilen durchbohrten Sebastian vorstellend, sichtbar sind. Einzelne Theile des Thurms erinnern noch an dessen ursprünglichen romanischen Baustyl. Von den auf dem Thurme hängenden Glocken wurde die größte 1856 von Heinrich Kurtz in Stuttgart, die mittlere 1771 von Christ. Ludwig Neubert in Ludwigsburg und die kleinste 1811 von C. C. Neubert in Ludwigsburg gegossen. Das Innere der Kirche bietet ein Bild betrübender Verkommenheit; die noch allein übrig gebliebenen muthwillig verstümmelten Steinbilder auf den Grabdenkmalen der alten Wunnensteiner rufen bei dem Beschauer ein trauriges Gefühl und zugleich einen begründeten Unwillen gegen den hier verübten Vandalismus hervor. An der südlichen, kahlen Innenwand stehen in der Richtung von Ost nach West folgende Denkmale:

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Marbach. H. Lindemann, Stuttgart 1866, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMarbach0157.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)