Seite:OAMarbach0166.jpg

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der Ringmauer und den Vorwerken hat sich von dem ehemaligen sehr festen Schloß nur noch ein Thurm erhalten, der wegen seiner seltenen fünfeckigen Form zu den interessantesten Thürmen des Alterthums, nicht nur in Württemberg, sondern auch weit über dessen Grenzen hinaus, gehört; er steht zunächst am Eingang links (südlich) und wurde offenbar zum Schutz des Eingangs und hauptsächlich zur Vertheidigung der am leichtesten zugänglichen Ostseite der Burg erbaut. Der bis zur Zinne ganz erhaltene Thurm hat eine Höhe von 85′ und die durchaus aus Buckelquadern errichtete Mauern sind 10′ dick; auf der westlichen, gegen den Burghof gerichteten Seite befindet sich 30′ über der Erdfläche der ursprüngliche rundbogige Eingang (der später an der Erdfläche eingebrochene ist an der Südseite), die Ostseite enthält hoch oben am Thurm einen Abtritt, während an der Südseite drei, jedoch nicht ganz senkrecht über einander stehende, schöne rundbogige Schießscharten angebracht sind, die sich gegen Innen sehr erweitern und daher im Verhältniß zu ihren schmalen Öffnungen viel Licht in den Thurm bringen. Das Innere des Thurms ist, wie überhaupt seine Grundanlage quadratisch, und nur die Ostseite bildet einen auswärts gerichteten stumpfen Winkel, wodurch in der äußeren Form des Thurms ein unregelmäßiges Fünfeck entstand. Diese seltene, von andern Thürmen abweichende Anlage wurde offenbar gewählt, um dem andringenden Feinde an der schwächsten Seite der Burg nur schräge, in stumpfen Winkeln sich brechende Flächen des Thurms entgegen zu stellen. Der Thurm bestand aus 5 Stockwerken, welche durch Absätze an den Innenseiten, auf denen das Balkenwerk lag, deutlich angedeutet sind; überdieß befindet sich unter ihm noch ein weiteres Gelaß, das Burgverließ. 1

Was die noch erhaltene Ringmauer der eigentlichen Burg betrifft, so enthält dieselbe an den Außenseiten gegen Osten, nahe der südöstlichen Ecke, einen Abtritt, an der Nordseite ebenfalls einen Abtritt und einen rundbogigen Eingang und an der Südseite ein leider zugemauertes Doppelfenster aus der besten romanischen Periode; letzteres, wie überhaupt alle noch vorhandenen Spuren, liefern ein sicheres Zeugniß über das Alter der Burg, deren Erbauung in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts fallen dürfte. In dem Innern des Burghofes und an den Innenseiten der Ringmauer lassen sich die Stellen, an denen Gebäude standen, nicht mehr erkennen, so viel aber steht fest, daß da, wo Fenster und Abtritte an der Mauer angebracht sind, auch Wohngebäude gestanden haben. Weitere Zeugen

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Marbach. H. Lindemann, Stuttgart 1866, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMarbach0166.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)