Seite:OAMarbach0195.jpg

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Beinahe in der Mitte der Stadt steht auf dem ansehnlichen, quadratischen Marktplatz das großartige weit über die Stadt emporragende Rathhaus, welches an der Stelle des früheren, baufällig gewordenen im Jahr 1556 erbaut wurde. Das untere Stockwerk enthält spitzbogige Arkaden und das Registraturgewölbe, das noch von dem früheren Rathhaus herzustammen scheint; an der östlichen Außenseite befindet sich das kunstlos aus Stein gehauene Wappen der Stadt mit der Jahrszahl 1556 und innerhalb der Arkaden an der Westseite ein sehr alt gefaßter Brunnen (früher Schöpfbrunnen, in neuerer Zeit zum Pumpen eingerichtet) mit der Jahrszahl 1546, demnach älter als das gegenwärtige Rathhaus. Im mittleren Stockwerke sind die Gelasse für den Gemeinderath, Rathsstube etc. eingerichtet und im oberen befindet sich die Küche und die in ihrem alterthümlichen Charakter noch erhaltene Rathsstube; letztere hat eine flachgetäfelte Decke, deren mittlerer Längebalken von einer hölzernen, schöngewundenen Säule unterstützt wird. An dem schön verzierten Kapitäl der Säule steht 1556 und zunächst desselben ist an dem Längebalken zu beiden Seiten das Stadtwappen eingeschnitten. In dieser Stube befindet sich auch eine alte Uhr, die mit der Uhr an der Giebelseite des Rathhauses in Verbindung steht; in ein Fenster ist ein ziemlich gutes Glasgemälde, das Stadtwappen vorstellend, eingelassen mit der Unterschrift: Dye Stat Botwar Anno 1557. Über dem Wappen steht:

Richter stand dem Recht bei
Als ob heyd der jengst Thag sei,
Hast du Gewalt richt recht
Den Got Her und du Chnecht.
Urtel nit uf ains Clag
Her vor auch des Andern Sag.

An der vorderen Giebelseite des Rathhauses ist eine künstliche Uhr angebracht, auf der einen Seite derselben befindet sich eine alte Sonnenuhr, auf der anderen ein Storch, der beim Schlagen der Stunden den Kopf bewegt und mit dem Schnabel die Zahl der Stunden hackt; dieses Uhrwerk wurde im Jahr 1776 von Mechanikus Gottfried Hahn von Kornwestheim wieder hergestellt. Auf dem First des Gebäudes erhebt sich ein Thürmchen mit Glocke.

Überdieß sind noch folgende Gebäude Eigenthum der Gemeinde: eine große Kelter mit 3 Bäumen und 3 Trotten, ein 1835 erbautes Backhaus, ein Armenhaus, ein Polizeiwachhaus, das auch das städtische Gefängniß enthält, eine Zehentscheuer und ein Schafhaus.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Marbach. H. Lindemann, Stuttgart 1866, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMarbach0195.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)