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Schneeabgänge öfters schnell aus und setzt dann den unteren Theil der Stadt unter Wasser. Über die Bottwar führen auf der Markung 4 steinerne und über die kleine Bottwar 2 hölzerne Brücken; auch sind mehrere Stege vorhanden. Die Fischerei in den beiden Flüßchen ist unbedeutend und liefert nur wenig Forellen; sie ist nicht verpachtet und darf von den Ortsbürgern nach Belieben ausgeübt werden.

Früher bestanden mehrere Seen (Weiher) wie der einige Morgen große See auf den sog. Seegärten unterhalb der Stadt, welcher 1776 trocken gelegt wurde, ferner der Schmutzhornsee am Anfang des Bernthals und ein schon 1569 trocken gelegter See im Faulbachthal, an der Stelle wo die Straße nach Winzerhausen über das Thal führt.

Die Einwohner, welche insbesondere Feldbau, Weinbau und Viehzucht treiben, sind äußerst fleißig und genügsam, was häufig auf Kosten der freien Entwicklung des Körpers geschieht. Der Gesundheitszustand ist im allgemeinen gut; als gewöhnliche Krankheiten sind die Schleim- und Nervenfieber zu nennen. Der früher nicht seltene Kretinismus nimmt mehr und mehr ab. Die Lebensweise und Sitten sind noch einfach schwäbisch, ebenso die Nahrung, bei welcher Milch und Kartoffeln die gewöhnlichen Gerichte bilden. Die alte, schwäbische Tracht (Lederhosen, dreispitzer Hut und hohe Stiefel) sucht sich zu erhalten; die Kleidung des weiblichen Geschlechts ist düster und eintönig. Die ökonomischen Verhältnisse sind gut und der vermöglichste Bürger besitzt an Grundeigenthum 50 Morgen, die mittlere Klasse 8–10 Morgen und die geringste 1/41/2 Morgen. Gemeindeunterstützung erhalten gegenwärtig etwa 40 Personen.

Von hiesigen Stadtkindern machte sich seiner Zeit bekannt Melchior Volz, geb. 1562, 1619 Abt in Maulbronn, gestorben den 9. Dec. 1625. Er trat auf als Polemiker gegen die Jesuiten.

Bei der großen Einfachheit der Einwohner in Beziehung auf Wohnung und die täglichen Bedürfnisse war bis jetzt eine lebhafte Entwicklung des eigentlichen Gewerbelebens nicht möglich und die Gewerbetreibenden arbeiten, neben einem kleinen landwirthschaftlichen Betrieb, meist nur für das örtliche Bedürfniß; eine Ausnahme machen die ziemlich zahlreichen Gerber, die ihre Waren auf auswärtigen Ledermärkten absetzen, auch ein Barometer- und Thermometerfabrikant, ein Messerschmied, ein Siebmacher, ein Oblatenmacher und einige Schreiner arbeiten nach Außen und setzen ihre Fabrikate theilweise auf den Stuttgarter Messen ab. Überdieß bestehen 6

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Marbach. H. Lindemann, Stuttgart 1866, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMarbach0197.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)