Seite:OAMarbach0227.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

wenig Wohlhabenheit der Einwohner; sie lagern sich mäßig gedrängt an der durch den Ort führenden Marbach–Großbottwarer Landstraße und an einigen von dieser ausgehenden, ziemlich engen Seitenstraßen. In der Mitte des Orts steht etwas erhöht die mit der alten Kirchhofmauer umgebene, in ihrem ursprünglich gothischen Styl wohlerhaltene Pfarrkirche; sie hat spitzbogige Eingänge und die Fenster an dem Langhaus und an dem mit einem halben Achteck schließenden, mit Streben versehenen Chor sind in den spitzen Bogentheilen mit schönem Maßwerk geschmückt. Über dem westlichen Haupteingang steht die Jahrszahl 1421, welche uns die Zeit der Erbauung der Kirche angiebt. An der Nordseite erhebt sich zwischen Langhaus und Chor der viereckige, nicht hohe Thurm, dem ein Satteldach mit abgetreppten Zinnengiebeln aufgesetzt ist. Von den auf dem Thurme hängenden 3 Glocken ist die größte von Bachert in Kochendorf 1858 und die mittlere von Neubert in Ludwigsburg 1783 gegossen worden; die kleinste, sehr alte, hat weder Schrift noch Zeichen. An der Kirche schlingen sich Reben hinauf und an dem Thurme rankt dichtes Epheu, die ohnehin malerische Kirche noch mehr verschönernd. An die Südseite ist ein halbrundes Thürmchen angebaut, das die zu den Emporen führende Wendeltreppe enthält; über dem Eingang desselben steht die Jahrszahl 1611. Das einfache, mit einer horizontalen Täfelung gedeckte Innere der Kirche enthält verschiedene Sehenswürdigkeiten, namentlich einen im gothischen Geschmack gehaltenen, reich mit Schnitzwerk verzierten Altarschrank aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, der früher im Chor stand und nun seine Stelle an der nördlichen Wand des Langhauses, dessen Höhe er beinahe ganz einnimmt, gefunden hat. Er ist 181/2′ hoch und bei geöffneten Flügelthüren 11′ breit. Das Mittelbild des Altarschranks enthält in gelungener Schnitzarbeit und reich vergoldet Maria mit dem Kinde, auf der einen Seite St. Georg, auf der anderen der heil. Ägidius; über dem Mittelbilde stehen unter schön gothisch geschnitzten Baldachinen in der Mitte die Himmelskönigin, über ihr Christus und auf ihrer einen Seite der heil. Christoph, auf der andern der heil. Jacobus. Der Sockel, auf welchem Maria im Mittelbilde des Schranks steht, enthält die Geburt Christi. Auf den beiden Innenseiten der Schrankflügel ist einerseits das Martyrium der heil. Catharina, andererseits das Martyrium der heil. Barbara dargestellt. Die Außenseiten der Schrankflügel enthalten gemalt je zwei Martyrien und auf den Ausladungen derselben die Brustbilder der Propheten Jesajas und Jeremias. Auf der Predella ist die heil.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Marbach. H. Lindemann, Stuttgart 1866, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMarbach0227.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)