Seite:OAMarbach0245.jpg

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und durch dessen Abfuhr ein nicht unbedeutender Geldumsatz verursacht wird.

Das an den Staat zu entrichtende Floßkoncessionsgeld beträgt vom Klafter 12 kr.; bei Berechnung desselben werden übrigens 500 Klafter als eigener Bedarf der Stadt Marbach in Abzug gebracht und sind somit frei von Koncessionsgeld. Überdieß muß der Stadt Marbach eine Pachtsumme von 200 fl. jährlich entrichtet werden. Im Jahr 1866 betrug das Koncessionsgeld 95 fl. 10 kr.

Die aus einer bergigen, sehr waldreichen Gegend kommende Murr tritt öfters aus ihrem Bett und überfluthet alsdann die ganze Thalebene, nicht selten auch noch die unteren Häuser des Orts bespülend, ohne jedoch beträchtlichen Schaden anzurichten. Nur im Jahr 1819 ist der Fluß in Folge eines starken Wolkenbruchs so bedeutend angeschwollen, daß er aus dem Holzgarten gegen 400 Klafter Holz mit sich fortrieß.

Die Einwohner sind im Allgemeinen gesunde, mittelgroße Leute, denen man meist, namentlich dem weiblichen Geschlechte, die strenge Arbeit, den rastlosen Fleiß und die Sparsamkeit, die selbst bis zur Grenze der Versagung des Nothdürftigen sich ausdehnt, ansieht. In Sitten herrscht ein sanfter, anständiger Ton, Sinn für Reinlichkeit und Ordnung. Die altherkömmliche Tracht hat leider einer modernen, wenig schönen weichen müssen. Volksbelustigungen und Gebräuche sind abgegangen, nur bei Leichen der Begüterten wird von den theilnehmenden Gästen ein Leichenschmauß gehalten und die Taufen begehen die Verwandten mit leiblichen Erquickungen. Was die Vermögensumstände betrifft, so besteht im Ganzen Wohlhabenheit, selbst die minder bemittelten Einwohner entbehren der alltäglichen Subsistenzmittel nicht; ein guter Mittelstand herrscht vor. Der vermöglichste Bürger besitzt 70 Morgen, der sog. Mittelmann 15–16 Morgen und die unbemittelte Klasse 1–2 Morgen Grundeigenthum. Gemeindeunterstützung erhalten gegenwärtig nur 2 kranke Personen, die verpflegt werden. Die Haupterwerbsmittel sind Feldbau, Weinbau und Viehzucht, während die Gewerbe nur den nöthigsten örtlichen Bedürfnissen dienen. Zwei Schildwirthschaften, ein Kaufmann und ein Krämer sind vorhanden. Unterhalb des Orts steht an der Murr eine gut eingerichtete Kunstmühle mit 5 Mahlgängen und einem Gerbgang. Auch besteht eine mit einem Pferd betriebene Ölschlägerei. Das Bleichen der selbst verfertigten Leinwand geschieht auf der dem Ort zunächst gelegenen Murrthalebene. Etwa 1/2 Stunde

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Marbach. H. Lindemann, Stuttgart 1866, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMarbach0245.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)