Seite:OAMarbach0259.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Das anspruchlose Kirchlein ist im einfachsten romanischen Styl erbaut, jedoch theilweise in den gothischen Styl verändert. Die Südseite des Langhauses enthält 3 schlichte Rundbogenfenster, an der Nordseite eine einfache Thüre mit horizontalem Thürsturz. An der Ostseite steht in gleicher Breite mit dem Langhaus, der nicht ganz quadratische, zweistockige, mit einem Zeltdach gedeckte Thurm, an dessen Nordseite sich eine halbrunde, durch ein tief eingeschrägtes Rundbogenfensterchen erleuchtete Abside befindet, an der Südseite stand auch eine solche, die aber in gothischer Zeit zu einer Sakristei umgebaut wurde. In die Ostseite des Thurmes ist ein großes spätgothisches Fenster eingesetzt worden. Das zweite Stockwerk des Thurms enthält auf den 3 freien Seiten in schöner Einfachheit enge rundbogige Doppelfenster. Das flach gedeckte theilweise noch alt bemalte Innere der Kirche zeigt zwischen Schiff und dem unteren Stockwerk des Thurms, der hier die Stelle des Chors vertritt, einen rundbogigen Triumphbogen; auch führen Rundbögen von dem Thurme in die Absiden. Das untere Gelaß des Thurms ist mit einem spätgothischen Gurtkreuzgewölbe überspannt, dessen großer Schlußstein, Agnus Dei darstellend, ohne Zweifel noch von dem ursprünglichen romanischen Gewölbe herrührt; in der Mitte desselben erhebt sich ein aufgemauerter, quadratischer Altar. Vor der Reformation wurde häufig zur Peterskirche gewallfahrtet. Die Unterhaltung der Kirche und des Begräbnißplatzes liegt dem Staat ob.

Da gegenwärtig die Äbtissin wenigstens den Sommer über hier wohnt, so finden Sommers alle Gottesdienste, auch das heil. Abendmahl, mit Ausnahme der Woche- und Sonntagskinderlehre und des Leichengottesdienstes, in der Stiftskirche statt. Des Winters werden die Gottesdienste, ausgenommen das heil. Abendmahl, in der Regel in der wärmeren und weniger feuchten Ortskirche abgehalten.

Die hiesigen Stiftsprediger waren immer auch Dorfpfarrer, mit Ausnahme der Jahre 1714–29, in welchem der Ort einen besonderen Geistlichen hatte. (Binder 213).

Das in der Mitte des Orts stehende, 1842 erneuerte Rathhaus mit Thürmchen und Glocke auf dem First enthält im unteren Stockwerk das Spritzenmagazin, im mittleren 2 Lehrzimmer und im dritten die Gelasse für den Gemeinderath. Der Schulmeister wohnt in einem der Gemeinde gehörigen Gebäude, das früher die Wohnung des Stiftspredigers war; an dasselbe ist das Gemeindebackhaus angebaut, in dessen oberem Stockwerk die Wohnungen für den Unterlehrer und den etwaigen Lehrgehilfen eingerichtet sind.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Marbach. H. Lindemann, Stuttgart 1866, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMarbach0259.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)