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Paar wirkliche Nonnen aus dem Vezer’schen Hause, welche in dem regulirten Kloster in Gmünd gewesen waren, aufgenommen wissen wollte, hielt das Stift die Ansicht aufrecht, es dürfen blos adelige Töchter aufgenommen und erzogen werden und erfüllten dem Grafen seinen Wunsch nur als Ausnahmfall.

In der österreichischen Zeit Württemberg’s hatte es im Jahr 1529 zwei gerüstete Pferde als Türkensteuer zu geben.

Nach der Wiederoberung des Landes durch Herzog Ulrich, bei welcher das Stift 400 fl. zu den Kriegskosten bezahlen mußte, wurde das württ. Schirmverhältniß erneuert.

Der Einführung der Reformation und der damit zusammenhängenden Untersuchung der Verwaltung im Stifte um 1536 setzten sich die Stiftsfräulein entgegen. Zuerst mußte sich Herzog Ulrich damit begnügen, ins Dorf einen evangelischen Prediger zu schicken, welcher hier in der St. Galluskirche und bei anwachsender Zuhörerschaft auf dem Kirchhof predigte. Nur bei Regenwetter erlaubte ihm die Äbtissin den Gottesdienst in der Stiftskirche. Die württembergische Kommission – endlich zugelassen – fand den Stiftshaushalt sehr im Argen; Rechnung war seit Jahren keine abgelegt und die Einkünfte waren von den Stiftsfräulein nach Belieben vertheilt worden. Statt der ordnungsmäßigen Anzahl von 12 waren nur 7 Stiftsfräulein eingekleidet, welche auch die Einkünfte von zwei Kaplaneien für sich genossen. Unter diesen Umständen griff Herzog Ulrich durch und es wurde – mit „freier ungezwungener Zustimmung“ der Stiftsfräulein – Jakob Herterich als evangelischer Prediger angestellt; das Chorfrauenstift selbst wurde nicht aufgehoben wie die landsäßigen Klöster, sondern in ein evangelisches adeliges Fräuleinstift verwandelt. Dieses benützte das Unglück Herzog Ulrichs im Schmalkaldischen Krieg von 1546, um sich von Württemberg loszusagen, dessen Einfluß von der Verwaltung abzuhalten und sich dem Ritterkanton Kocher, aus welchem vorzugsweise Fräulein aufgenommen werden sollten, anzuschließen, als „ein gemeiner freier Reichsritterschaft inkorporirtes Mitglied.“

Über solchen Schritt des Stiftes ließ Herzog Christoph die Stiftsgefälle mit Beschlag belegen und verlieh die Stiftspredigerstelle. Die Sache kam aber vor dem Reichskammergericht zu einem langwierigen Prozeß, auf dessen ihm ungünstigen Spruch vom 23. Mai 1587 hin sich Herzog Christoph am 30. Mai 1588 zu einem Vergleich herbeiließ, worin er dem Stift Befreiung von Landschatzung und von Hilfszahlung und 3300 fl. Entschädigung zusagte,

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Marbach. H. Lindemann, Stuttgart 1866, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMarbach0265.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)