Seite:OAMarbach0292.jpg

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und werden von dieser nur bei sehr hoch gehenden Wasserfluthen erreicht, dagegen sehr oft auf eine Weise umfluthet, daß Kirche und Schulhaus gleichsam auf einer Insel liegen, so daß man nur zu Schiff zu denselben gelangen, und nicht selten kein Gottesdienst und keine Schule gehalten werden kann. Die Kirche zum h. Veit ist dreischiffig, hat noch einige spitzbogige Eingänge und Fenster; aus den letzteren sind die Ornamente in den Bogentheilen herausgenommen worden. Der mit Strebepfeilern versehene Chor schließt mit einem halben Achteck und zeigt in seinen spitzen Fensterbögen noch Reste von frühgothischen Füllungen. Der gegen 200′ hohe, an der Nordseite stehende, vierstockige Thurm ist mit Ausnahme des obersten, 1654 erbauten Stockwerks sehr alt, und enthält im unteren Geschoß noch gepaarte Fensterchen aus der Übergangsperiode und ein Kreuzgewölbe. Er ist mit einem Zeltdach versehen, aus dem eine schlanke Laterne emporstrebt. Auf dem Thurm hängen 3 Glocken, von denen die größte folgende Inschrift trägt: Weil man vom Frieden singt, mein Schall auch besser klingt. M. Gottf. Pfaff, Pfarrer, Joh. Melchior Herold, Schulth., Christoph Trautwein, Bürgermeister, Andr. Breitscheid, Heiligenpfleger, 1698. Auf der mittleren steht: Gegossen von E. Neubert in Ludwigsburg anno 1857, auf der kleinsten: G. Neubert in Ludwigsburg anno 1817. Das geräumige Innere der Kirche ist weiß getüncht, das Mittelschiff flach, die Seitenschiffe mit Kreuzgewölben gedeckt; letztere werden auf der nördlichen Seite von runden, romanischen Säulen, auf der südlichen aber von 4eckigen Pfeilern getragen und sind durch spitze Arkaden verbunden. Den Chor überspannt ein von romanischen Säulen ausgehendes, scharfkantiges Kreuzgewölbe. Außer einem an der Wand angebrachten Wappen mit einem Pferdekopf und der Jahrszahl 1404 hat die Kirche sonst nichts bemerkenswerthes. Nach den an ihr gebliebenen architektonischen Resten stammt sie ursprünglich aus der romanischen Periode, wurde später in den frühgothischen Styl, und in neuerer Zeit styllos verändert. Die Kirche wurde im 30jähr. Kriege 1634 von den spanischen Truppen theilweise abgebrannt, aber schon 1650 wieder hergestellt und endlich an dem Reformationsfest 1817 und nach den großen Überschwemmungen in den Jahren 1819 und 1824 namhaft ausgebessert. In ersterem Jahr stiegen in Folge eines Wolkenbruchs die Hochfluthen so sehr, daß das Wasser eine Hand hoch über den Altar herlief und alle Weiberstühle umriß, auch die Kirche mit Schlamm füllte und deshalb der Gottesdienst einige Wochen in der Schule gehalten werden mußte. Die Unterhaltung steht der

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Marbach. H. Lindemann, Stuttgart 1866, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMarbach0292.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)