Seite:OAMaulbronn0072.jpg

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aufgegangen. Ebenso bildet das sogenannte welsche Dörfchen bei Dürrmenz jetzt nur noch einen Theil der letzteren Ortschaft, welcher seinen besonderen Namen behalten hat. Außerdem gehören hieher: Klein-Villars, Corrés, Sengach und Schönenberg, letzteres mit einigen Waldenser Familien unter einer Mehrzahl von Deutschen. Neu-Bärenthal bei Wurmberg wurde 1722 von Reformirten gegründet, die aus dem Thal des in die obere Donau mündenden Flüßchens Bera ihres Glaubens wegen vertrieben worden waren. Seit das Französische in der Kirche und Schule nicht mehr gebraucht wird, – in Pinache wurde 1808/12 abwechselnd deutsch und französisch gepredigt, von 1812 an nur deutsch, in Groß-Villars ist seit 1. Juli 1829 durchaus deutscher Gottesdienst eingeführt, – ist die Kenntniß der französischen Schriftsprache den Leuten abhanden gekommen. Auch das mit deutschen Wörtern gemischte Patois hat sich meist verloren, und ist nur noch zu Serres in allgemeinerem Gebrauch. Die Union der ursprünglich reformirten Gemeinden mit der evangelischen Landeskirche wurde im Jahre 1824 ohne Schwierigkeiten vollzogen. Das Abendmahl wird in den ersteren nach reformirtem Ritus gefeiert. Außerdem finden sich in den kirchlichen Gebräuchen noch einige Eigenthümlichkeiten, die jedoch nicht in eine sehr alte Zeit zurückzuweisen scheinen. Die Voreltern unsrer Waldenser brachten wohl einen nach schweizerischem Muster geformten Cultus mit nach Württemberg. – Ihre Ortschaften sind regelmäßig gebaut und sauber gehalten, die Wohnhäuser haben häufig ein freundliches Ansehen. Die Kirchen lassen erkennen, daß sie im Gedränge einer dürftigen Zeit errichtet wurden. In Pinache wurde vormals die Gemeinde mit Trommelschlag zum Gottesdienst gerufen. Im allgemeinen sind sie aufgeweckt, betriebsam, häuslich und gewandt. Auswärtigen gegenüber halten sie zusammen. Ihre Rechte und ihr Herkommen pflegen sie mit Eifer zu wahren. In 170 Jahren harmloser Ackerwirthschaft ist ihnen zwar die mündliche Überlieferung einzelner geschichtlicher Züge versiegt, aber gerne gedenken auch jetzt noch die Enkel des standhaften Muths der Vorfahren. Immerhin mag es schon geschehen sein, daß die nach entbranntem Streit schwer verglimmende Gluth eines südlichen Temperaments sie nöthigte, sich um ländliche Montagnes und Capulets zu scharen, jedenfalls aber sind diese aus der lateinischen Völkerfamilie stammenden aber auf schwäbischem Boden längst heimisch gewordenen Angehörigen des Bezirks wegen ihres Fleißes, ihres kirchlichen Sinns und ihrer Gewandtheit im Verkehr ein schätzbarer Bestandtheil seiner Bevölkerung. 1

Was die große Mehrzahl der Gemeinden anlangt, so vertheilen sie sich freilich nicht in Gruppen, welche mit ähnlicher Deutlichkeit abgegränzt wären, wie die eben erwähnte; vielmehr sieht sich, wer eigenthümlichen Zügen nachgeht, zumeist an die einzelnen Gemeinden gewiesen.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0072.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)