Seite:OAMaulbronn0073.jpg

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Der Versuch die letzteren nach ihrer Individualität mit einiger Genauigkeit zu beschreiben, würde hier zu weit führen. Es liegt in der Natur der Sache, daß die Verhältnisse, welche jedesmal in einer solchen Individualität ihren Ausdruck finden, theils auf die Dauer wirksam, theils dem Wechsel innerhalb kürzerer Zeitfristen unterworfen sind. Dabei müssen namentlich auch die engen Beziehungen zwischen den ökonomischen und den sittlichen Zuständen zu Tage treten. Eine glückliche Vertheilung des Grundbesitzes, welche den Familien fast durchweg mäßigen Wohlstand gewährt, kommt in einigen Orten vor; hiedurch sind schon deswegen, weil unter solchen Umständen die gänzlich Unbemittelten fehlen oder nur schwach vertreten sind, auch manche sittliche Mißstände fern gehalten. Anderwärts findet sich neben einer Reihe begüterter Bürger eine Mehrzahl wenig vermöglicher. Da es in diesem Fall den Unbemittelten nicht an Arbeitsverdienst fehlt, sie auch bei umfangreicher Markung nicht allzuschwer einige Grundstücke erwerben, und den Hausbedarf an Nahrungsmitteln nur theilweise kaufen müssen, so ist es hier mit dem ökonomischen Faktor des sittlichen Lebens immer noch einfach genug und auch in normalen Zeiten nicht eben ungünstig bestellt. Ein wesentlicher Vortheil, dessen sich mehrere Ortschaften erfreuen, ist hiebei der Besitz eines erklecklichen Gemeinde- oder Stiftungsvermögens. Eine dritte Klasse mit allzuenger oder minder ergiebiger Markung befaßt nur wenige Gemeinden des Oberamts. Daß auch die Gewerbsthätigkeit, selbst in ihrem fabrikmäßigem Betrieb, neben dem für den Bezirk im Ganzen in erster Linie wichtigen Feldbau auf den Zustand einzelner Gemeinden erheblichen Einfluß hat, ist oben angedeutet worden. 1

Wenden wir uns etlichen andern Faktoren zu, welche für den Charakter der Einwohnerschaft eines Distrikts in Betracht kommen, und dabei auch solchen von mehr ideeller Beschaffenheit, so ist von vorn herein sicher, daß eine Zeichnung über ziemlich unbestimmte Striche schon deswegen nicht hinausgelangen kann, weil dabei die Oberamtsgrenzen blos eine sehr relative Bedeutung haben. Die Zusammengehörigkeit der Ortschaften des Bezirks schreibt sich zwar mit wenigen Ausnahmen von alten Zeiten her, sofern die kompakte Masse des Gebiets der Abtei Maulbronn, nachdem sich das Kloster mit Besitz an Land und Leuten gesättigt hatte, ungefähr mit dem jetzigen Oberamt zusammenfiel, aber mit den Verbindungsfäden dieser Art hat die Zeit aufgeräumt. Nur den alten Anspruch auf die Maulbronner Armenfrucht, welche vom Rechtsnachfolger der Äbte lange gereicht wurde, haben die Gemeinden nicht vergessen. – Auch die Bevölkerung unseres Grenzstrichs beweist den ausdauernden Fleiß, mit welchem der schwäbische Landwirth, meist auf die Arbeitskraft seiner Familie angewiesen, den vielfach getheilten Boden zu bauen gewohnt

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Maulbronn. H. Lindemann, Stuttgart 1870, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAMaulbronn0073.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)